Spannung bis zum letzten Augenblick

DETZEM. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bootsschleuse Detzem wurde ein Wehrkörper zu Konservierungsmaßnahmen ausgebaut und an Land repariert. Am Donnerstag wurde der "Heimkehrer" in Empfang genommen und in seine neun Meter tiefe Grube zurückgesenkt.

Es ist zwölf Uhr. Gleißendes Sonnenlicht reflektiert der schwarze 140-Tonner, der noch auf dem Binnenschiff "Ortygia" schlummert. Er wartet auf seine Entladung durch das Kranschiff "Phoenix". Dieses musste extra aus Holland geholt werden und wurde von der "Groenland" bis zur Detzemer Boots-Schleuse geschleppt.Am Donnerstag ist nichts normal

Die drei Schiffe liegen ruhig einige Meter vor der Wehranlage. Normalerweise halten sich dort nur Sportboote auf, denn die zur Anlage gehörende kleine Boots-Schleuse ist lediglich 3,30 Meter breit und 15 Meter lang. Große Schiffe, wie der Kran, der Schlepper und das Binnenschiff, das den Wehrkörper transportiert, müssen durch die Großschifffahrts-Schleuse auf der anderen Seite der Insel, an der sich die Mosel teilt. Doch am Donnerstag ist alles anders - nichts ist normal. Größeres ist geplant. Am 20. Mai wurde der Linke der drei Wehrkörper der Bootsschleuse, die der Länge nach in ihren Gruben liegen und bei Überflutungsgefahr zur Regulierung der Stauhöhe dienen, ausgebaut und nach Aschaffenburg auf Reisen geschickt. Asbestfasern in der Innen- und Außenwandbeschichtung sollten entfernt und der Wehrkörper neu konserviert werden. Auch die teerhaltige Wandfarbe musste einem neuen Anstrich weichen. "Der Mittlere ist nächstes Jahr dran", sagt Walter Krewer. Er ist Wasserbaumeister und weiß Vieles zu erklären. Begleitet man ihn unter die Mosel, werden die drei Steuerungsleitungen der Wehrkörper auch dem Laien verständlich. Zurück zur Oberfläche. "Es ist das erste Mal, dass ein Wehrkörper ausgebaut und nicht vor Ort saniert wurde", erklärt Norbert Bier, Leiter und Vertreter des Außenbezirks des Wasser- und Schifffahrtsamts Trier (WSA). Beim Ausbau der Mosel zur Großschifffahrtsstraße Anfang der 60er Jahre wurden die drei Wehrkörper an Ort und Stelle Stück für Stück zusammengebaut, erinnert sich Wilhelm Schmitt, Beamter der Stadt Trier. Seit dem Ausbau der Mosel seien Reparaturen immer direkt an den eingebauten Wehrsektoren vorgenommen worden. Das Spektakel im Mai und jetzt im August ist für alle Spannung pur. Die Firma Litterer in Aschaffenburg - auf Korrosionsschutz spezialisiert - hatte dem WSA Trier ein Kompaktangebot unterbreitet und diesen Weg der An-Land-Konservierung vorgeschlagen. Das kann von der Witterung unabhängig geschehen. Damit am Donnerstag alles einigermaßen zum geplanten Zeitpunkt über die Bühne gehen konnte, bekam das transportierende Binnenschiff eine Sondergenehmigung, die ein Vorschleusungsrecht auf der Mosel anderen Schiffen gegenüber einräumte. "Denn die Wartezeiten an einigen Schleusen sind enorm. Da gilt das Prinzip: Wer zuerst kommt, schleust zuerst", weiß Charlotte Kurz, stellvertretende Amtsleiterin des WSA Trier. Längst ist der Kran positioniert. Aber das Anschlagen der Hebevorrichtung an vier Punkten des Wehrkörpers dauert eine halbe Ewigkeit. "In dem Bereich des Wasserverkehrs dauert alles seine Zeit. Das ist halt so", sagt Charlotte Kurz. Doch plötzlich geht alles ganz schnell. Der Wehrkörper wird Zentimeter für Zentimeter angehoben. 140 Tonnen schweben. Nun wird der Kran um 90 Grad gedreht und der Koloss bewegt sich parallel zur Wehranlage. Auf der Brücke über dem Revisionsverschluss, der stellvertretend die Funktion des entfernten Wehrkörpers eingenommen hatte, steht ein Mann in orangenem Arbeitsanzug - ein Holländer. Er steuert über Funk den Kran und seinen Schlepper. Der Riese kommt seinem Ziel immer näher. Wie eine schwarze Wolke hängt der 40 Meter lange und im Durchschnitt neun Meter breite Koloss über den Arbeitern. Die offene Stahlkonstruktion wird sichtbar.Millimeterarbeit über Funkanweisungen

Der gefährlichste Teil beginnt. Das Einlassen in die Grube. Es erfordert hohe Konzentration der Arbeiter und genaueste Funkangaben. Links und rechts an den Enden des noch schwebenden Riesen stehen Funker und geben dem Steuermann des Krans Hinweise, wie er zu schwenken hat. "Das ist Millimeterarbeit. Schwenkt der Kran nur um einen halben Grad zu weit, ist der Spielraum von sechs Zentimetern überschritten. Das wäre tödlich", weiß Norbert Fischer, Bauingenieur und Leiter des Projekts. Kurz verkeilt sich der Stahlkörper zwischen den Betonpfeilern. Aber dann läuft alles weiter wie geschmiert. Die Gelenke werden mit dem schwarzen Koloss verschlagen und endlich kehrt wieder Ruhe ein. Es ist geschafft. Der "Heimgekehrte" sitzt in seiner Grube und wird in den nächsten Wochen verdichtet und auf seine gewohnte Arbeit vorbereitet.

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