Sprechende Steine

KONZ. Die Prachtexemplare sind bis zu 200 Kilogramm schwer. Könnten sie erzählen, wären es sicher spannende Geschichten aus vergangenen Jahrhunderten. Eine Dauerausstellung mit alten Grenzsteinen wurde im Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof eröffnet.

"Die Idee der Ausstellung mit alten Grenzsteinen kam eher zufällig", erzählt Museumschef Ulrich Haas begeistert und zeigt auf die Schau der gesammelten Werke im Rosengarten. So etwas einzurichten, sei nicht ganz einfach, gibt Haas zu bedenken: Grenzsteine, die noch ihrem Zweck dienen, können nicht einfach ausgebuddelt und mitgenommen werden. Doch wer gezielt sucht, der stößt auf genügend Findlinge, hat Karl Paulus herausgefunden, der mit dem Programmstart eine geradezu leidenschaftliche Sammeltätigkeit entwickelte. Zu den "kulturhistorischen Klein-Denkmälern" hat der ehemalige Vermessungs-Ingenieur schon berufsbedingt eine besondere Beziehung. Über 30 Grenzmarken wurden dem Volkskunde- und Freilichtmuseum übergeben. Großen Anteil an dem Erfolg schreibt Haas auch Hans-Joachim Kann zu. Der "Jäger und Sammler" (Kann über Kann) hatte ein besonders schönes Exemplar bei einem Neujahrs-Spaziergang in Herresthal entdeckt. Aber auch in Straßengräben sei er fündig geworden oder unter Baggerschaufeln. Haas ergänzt: "Einen Grenzstein haben wir von der Müllkippe, und einen anderen haben wir nur bekommen, nachdem wir eine Kopie haben anfertigen lassen." Heimatforscher Kann hat eine ganze Reihe von Grenzsteinen wissenschaftlich bearbeitet. Insbesondere die Markierungen haben ihn interessiert. Etliche Steine wiesen gleich mehrere Zeichen oder Buchstaben (KW für königlicher Wald, Bischofstab, das Karthäuser Kreuz oder ST für Stadt Trier, GA für Gemeinde Aach auf der anderen Seite) auf, so Kann zu seinen Nachforschungen. Es gebe Kreuze, die seien einst "vermörtelt" worden, wohl deshalb, weil sich die Eigentumsverhältnisse geändert hatten. Beispielsweise durch die von Napoleon betriebene Säkularisation. Clever waren die Leute schon früher. Fand sich auf dem Teil des Grenzsteins, der aus der Erde herausschaute, eine Buchstabenkombination (Eigentümer), so war die gleiche auf der Steinhälfte im Boden wiederholt. Bedeutung: Wären die oberen Initialen abgeschlagen worden, so hätte dies nicht viel genutzt, denn beim Ausgraben wären die gleichen Buchstaben wieder zum Vorschein gekommen. Vermessungs-Mann Paulus zitiert aus einem Fachbuch eine Verordnung des "Churfürstlichen Hofraths" über Trier und die geschworenen Marksteinsetzer. Aus Anlass von Klagen "über das Überpflügen ‚grundbegieriger Ackers- und Bauersleute' wurden Strafen für solche Grenzüberschreitungen festgelegt: Pro Furche ein Goldgulden". Schwerer bestraft wurde der Frevel des absichtlichen Ausackerns eines Marksteins. Das kostete schon sechs Goldgulden. Einen weiteren Trick hatten die "geschworenen Marksteinsetzer" auf Lager. Unter oder neben die Grenzsteine wurden "Grenzzeugen" aus Ton, Glas oder Knochen mitvergraben, deren Anordnung nur sie kannten. Mitunter schwierig gestaltete sich die Weitergabe um die Kenntnis der Grenzen an die nächste Generation. Damit sich die jungen Leute die Grenzen besser einprägten, gab es Äpfel oder Nüsse als Geschenk. Museums-Chef Haas berichtete allerdings auch von Backpfeifen oder davon, dass die jungen Leute an Haaren oder Ohren gezogen wurden, um ihr Erinnerungsvermögen zu schärfen. Diese Möglichkeit wollte Haas jedoch nicht wieder aufleben lassent.

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