Standfest in der Steillage

LONGUICH. Eines ist sicher: Sie schmecken verdammt gut, die Trauben. Damit aus den Trauben eines Rebstocks etwa eine Flasche Wein werden kann, muss ordentlich geschuftet werden.

Das Knattern der Traktoren in den Winzerdörfern verkündet seit ein paar Tagen: Die Weinlese hat begonnen. Voll beladen mit orangefarbenen und grauen Behältern steuern die Winzer die Weinbergslagen an. Die Helfer der kleinen Nebenerwerbsbetriebe, es sind meist Familienmitglieder und Bekannte, fahren gut gerüstet im Auto hinter den Landwirtschaftsmaschinen her. Der "Zwiebel-Look" - T-Shirt, Pullover und Regenjacke - garantiert die Weiterarbeit bei jedem Wetter.Die Weinberge leuchten

Gummistiefel und Handschuhe sind ein Muss. Der Morgennebel hat sich bereits verzogen, und in der Oktobersonne, die der Haut im Herbst noch einmal schmeichelt, leuchten die Weinberge in einer Farbenpracht aus goldenen, grünen und braunen Nuancen. Der blaue Himmel, gespickt mit ein paar Wolken, die vom Herbstwind vorangetrieben werden, verheißt gutes Wetter für diesen Tag. Der Panoramablick, den der Arbeitsplatz garantiert, sucht seinesgleichen. Jede Reihe, bestehend aus etwa 50 Rebstöcken, wird einem Leser zugeteilt. Vorbei ist es erst einmal mit dem idyllischen Ausblick und dem Genuss des Altweibersommer-Wetters. Die scharf schneidenden Scheren verlangen die volle Aufmerksamkeit. Am Traubenkamm wird die Frucht abgeschnitten und landet in der Erntekiste. Die Trauben, die sich schon eigenmächtig vom Rebstock gelöst haben, müssen aufgehoben werden. Während das Lesen in der Steillage Standfestigkeit erfordert, ist das Leeren der Eimer und Hotten reine Männersache. Das Tempo der erfahrenen Nachbarin bestimmt das eigene Arbeitspensum. Hand in Hand wird gearbeitet. Wie im Flug, vergeht die Zeit - unterstützt durch das muntere Geplauder zwischen den Rebstöcken. Hin und wieder landet das eine oder andere Träubchen im Mund. Der Biss in die pralle Frucht bleibt bei dem verlockenden Anblick einfach nicht aus. Nach drei Stunden ist der Weinberg wie leer gefegt. Nur noch die bunten Blätter wiegen sich im Wind. Bevor die Fahrzeugkolonne samt Arbeitsmaterial weiterzieht, ist es Zeit für eine Pause. Das Arbeiten an der frischen Luft macht hungrig. Brötchen werden geschmiert, und der heiße Kaffee treibt eine noch tiefere Röte auf die Wangen. Auch die Nachbarn gönnen sich eine Pause unter freiem Himmel. Die Motorhaube wurde kurzerhand zum außergewöhnlichen Mittagstisch umfunktioniert. Nach einer halben Stunde machen sich die eifrigen Helfer auf zur zweiten Runde, um das Tagewerk zu erledigen. Am Spätnachmittag fahren die Leser heimwärts, und unzählige Trauben werden zur Kelteranlage nach Longuich gebracht. Am Abend macht sich eine angenehme Müdigkeit breit. Jetzt ist endgültig Feierabend und Zeit für einen guten Schoppen Moselwein.

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