Verteidiger stolpert über Glasauge

SAARBURG/KONZ/WASSERLIESCH. Einen Freispruch fällte das Amtsgericht Saarburg im Verhandlungsfall um einen 34-jährigen Zimmermann aus Wasserliesch. Der Mann war angeklagt, einem Albaner im Dezember 2005 einen Schlag ins Gesicht versetzt zu haben, woraufhin der Verletzte sein Glasauge verloren haben soll.

Überdurchschnittlich lange gestaltete sich die Verhandlung beim Amtsgericht Saarburg, bei der ein 34-jähriger Zimmermann aus Wasserliesch auf der Anklagebank saß. Der erste Verhandlungstag hatte ergebnislos geendet, nachdem wichtige Zeugen fehlten und beschlossen worden war, einen Dolmetscher hinzuzuziehen - der Nebenkläger sowie weitere Zeugen stammen aus Albanien. Laut Anklage war der Zimmermann am 16. Dezember 2005 gegen 20 Uhr in Konz-Karthaus gemeinsam mit einem Kumpel zu Fuß unterwegs gewesen, als ihm ein albanisches Ehepaar entgegenkam. Nach einem kurzen Wortwechsel habe der Deutsche den Mann mit der Faust ins Gesicht geschlagen, woraufhin dieser seine Augenprothese verloren und sich Verletzungen zugezogen habe. Kleine verbale Auseinandersetzung

Auf die Frage des Richters Herbert Schmitz, ob er sich zu der Anklage äußern möchte, holte der Zimmermann "detailreich" aus, wie ihm Schmitz zum Ende der Verhandlung bescheinigte. So sei der Zimmermann an besagtem Abend mit einem Arbeitskollegen vom Trierer Weihnachtsmarkt nach Konz zurückgekehrt und auf dem Weg in eine Kneipe in Karthaus gewesen. "Plötzlich kam uns eine Gruppe jugendlicher Hip-Hopper entgegen", erzählte der 34-Jährige. "Weil es einige Zeit zuvor noch einen Vorfall mit Schmierereien an unserem Haus gegeben hatte, habe ich mich über die Kleidung der Jungen lustig gemacht und irgendwas gesagt wie ,Guck mal, da kommen ja die Gangster'." Er und sein Kumpel hätten lediglich eine kleine verbale Auseinandersetzung mit der Gruppe gehabt und seien weiter in eine Gaststätte gezogen. Das albanische Ehepaar hätten sie nicht getroffen. In der Kneipe sei einige Zeit später Polizei aufgetaucht und habe sie mit der Aussage konfrontiert, "einer von uns hätte angeblich jemanden geschlagen", erzählte der Zimmermann. Er und sein Kumpel hätten daraufhin erklärt, nichts mit der Sache zu tun zu haben und sich wieder ihrem Gespräch zugewandt. "Beide haben auf unsere Ansprache in der Kneipe ausgesprochen beiläufig und gelassen reagiert und abgestritten, etwas mit der Angelegenheit zu tun zu haben", sagte ein als Zeuge geladender Polizist der PI Saarburg aus. "Sie haben uns ihre Papiere gezeigt, wir sind wieder gegangen." Der 36-jährige Albaner hingegen will den Angeklagten sowie seinen Kumpel, der als geladener Zeuge im Gerichtssaal war, als "die Angreifer" erkannt haben. Er sei an diesem Dezemberabend von einem der beiden Männer angesprochen worden, wo er hinwolle. Dann habe einer seine Hände gegriffen und festgehalten. Der auf der Anklagebank Sitzende habe schließlich zugeschlagen und sich mit seinem Kumpel entfernt. Für eine gewisse Zeit habe er die Orientierung verloren, sei von seiner Frau gestützt worden. Die Prothese sei durch den Schlag aus dem Auge gefallen, seine Brille runtergerutscht. Nachdem er bei einem Bekannten aus seiner Heimat geklingelt und von dem Vorfall erzählt habe, seien sie in Richtung Kneipe gegangen, in der der Angeklagte und dessen Kollege saßen. Von außen habe er gesehen, dass in der Kneipe der Mann saß, der angeblich auf ihn eingeschlagen hatte. Daraufhin hätten sie die Polizei verständigt. Auch die Ehefrau des Nebenklägers ließ durch einen Dolmetscher aussagen, sie habe die beiden Männer als die des Dezemberabends erkannt. Anders als ihr Mann sagte die Frau aus, es habe keinen Wortwechsel zwischen "den Angreifern" und ihrem Mann gegeben. Unterschiedliche Auskünfte des Nebenklägers, seiner Frau und weiterer Zeugen gab es zudem zu dem Punkt, wer bei der Suche nach den Tätern dabei war und wer wie viele Personen gesehen hatte. Sehr lange hielten sich der Verteidiger des Angeklagten, der Trierer Anwalt Hartmut Diesel, sowie Richter Herbert Schmitz an der Frage auf, ob der Verletzte nach dem vermeintlichen Schlag seine Brille noch trug (was keiner der Zeugen bestätigen konnte) und was dem Nebenkläger ohne sein Glasauge noch an Sehkraft verblieb. Schmerzensgeld und Schadenersatz gefordert

Der Albaner hatte über seine Verteidigerin Karin Goergen neben Schmerzensgeld eine Schadenersatzforderung in Höhe von rund 1200 Euro für eine neue Prothese formulieren lassen. Die wiederum machte Richter Schmitz stutzig. Schmitz meinte, die Prothese hätte turnusgemäß ohnehin ausgetauscht werden müssen, was die Krankenkasse bislang stets für den Nebenkläger übernommen habe. Sophia Lehmler, Referendarin bei der Staatsanwaltschaft, beantragte nach mehr als vierstündiger Sitzung Freispruch: "Es gibt viele Ungereimtheiten und Differenzen in diesem Prozess. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass der Angeklagte die Tat begangen hat. Die Aussagen der Zeugin, die die Männer erkannt haben will, waren nicht überzeugend." Richter Herbert Schmitz teilte die Ansicht und entsprach dem Antrag auf Freispruch: "Es gilt der alte Grundsatz: Wenn jemandem die Schuld nicht eindeutig nachzuweisen ist, gilt er als freizusprechen. Differenzen sind zwar eher ein Wahrheits-Indiz. Anders sieht es aber aus, wenn die Differenzen so eklatant sind wie in diesem Fall. Vor allem war auffällig, dass bei den Fragen, bei denen es darauf ankam, Nebenkläger wie Zeugen plötzlich mit Unverständnis reagiert haben und den Fragen ausgewichen sind."

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