"Vom Bunker träumt der Archivar"

SAARBURG-BEURIG. Unter der Berufsbildenden Schule in Saarburg lagern unzählige Meter Akten und behördliche Unterlagen. Allerdings keine, die etwas mit dem Schulbetrieb zu tun haben. Die Kreisverwaltung Trier-Saarburg nutzt den als Atombunker angelegten Keller als Archiv.

Viele derer, die das Gebäude der Berufsbildenden Schule im Schulzentrum Beurig betreten, um sich fit zu machen für die Zukunft, ahnen nicht, welche Relikte der Vergangenheit in dem Komplex untergebracht sind. Wie auch? Das Archiv der Kreisverwaltung Trier-Saarburg ist als Magazin für die Öffentlichkeit unzugänglich und zudem im als Atomschutzbunker konzipierten Keller untergebracht. Dafür haben ausschließlich die Leiter des Schulzentrums sowie Hausmeister Rudolf Merz einen Schlüssel. "Hin und wieder habe ich schon mal mit Klassen eine Führung durch den Bunker gemacht", sagt Merz.1964 mit dem Bau begonnen

Was aus heutiger Sicht äußerst befremdend wirken mag, war vor vier Jahrzehnten, zu Zeiten des so genannten Kalten Krieges, noch aus anderem Blickwinkel zu betrachten: So wurde 1964 tatsächlich damit begonnen, unter der Schule einen Atomschutzbunker zu bauen. 1967 war das Konstrukt mit den schmalen, langen Gängen und den kleinen, fensterlosen Räumen fertig gestellt. Regierungs-Präsident, Polizei und Schlüsselfiguren der Kreisverwaltung sollten dort ebenso wie alle wichtigen Unterlagen und Dokumente im Notfall in Sicherheit gebracht werden. 56 Personen hätten nach Auskunft von Rudolf Merz im Bunker verweilen können. Nachdem die Zeiten des Kalten Krieges überwunden waren, blieb der Bunker mehr oder weniger ohne weitere Bestimmung zurück. "Vor zehn Jahren ist auch die gesamte Wartung eingestellt worden", berichtet Rudolf Merz. Als die Kreisverwaltung nach dem rheinland-pfälzischen Archivgesetz 1990 damit beginnen musste, ein Kreisarchiv aufzubauen, mangelte es schnell an Platz. Der im Bunker unter der Kreisverwaltung in Trier, wo ebenfalls ein Teil des Archiv untergebracht ist, reichte nicht aus. Seit 1996 nutzt die Kreisverwaltung als Eigentümerin den Bunker zum Aufbewahren unterschiedlichster Dokumente. Alles, was häufig in greifbarer Nähe sein muss, steht in Trier. Seltener genutzte Dokumente lagern in Saarburg. Ein Frist-Archiv mit Bau-Akten, die dauerhaft verwahrt werden müssen, füllt allein einen Raum. Seit dem Jahr 1946 sind dort Unterlagen zu finden. 2000 bis 3000 Bau-Akten kämen pro Jahr hinzu, schätzt Hausmeister Rudolf Merz. "Die meisten stammen aus den 50er-Jahren, aus der Aufbauphase nach dem Krieg", weiß Kreisarchivarin Barbara Weiter-Matysiak. "Zwei bis drei Akten pro Woche muss ich nach dem Jahrgang und einer laufenden Nummer ziehen", sagt Merz.Höferollen und Dienstreisetagebücher

Neben den Bau-Akten lagern aber auch Kreistags-Protokolle mit "historisch interessanten Geschichten", wie Weiter-Matysiak weiß, in Saarburg. Zudem sind Ordner mit Aufschriften wie "Anträge für Bejagungszeiten", "Höferollen" - Verzeichnisse der eingetragenen landwirtschaftlichen Betriebe - jede Menge Statistiken oder Kartons mit Akten des Jugendamtes zu finden. Auch ein Dienstreisetagebuch zieht die Kreisarchivarin aus den prall gefüllten Regalen. Neues, das heißt altes, Archiv-Material bekommt die Kreisarchivarin in Trier meist auf den Tisch, "wenn größere Umbau- oder Auflösungs-Aktionen im Haus anstehen". Dann ist es an ihr, die Dokumente zu sichten, in der Gesamtheit der Sammlung einzuordnen und nach einem hausinternen Schlag- und Stichwort-System fürs Archiv aufzubereiten. Ein besonderes Faible hat Barbara Weiter-Matysiak, seit Anfang der 90er in dieser Funktion, für Schul-Akten und Schul-Chroniken. "In der Zeit um 1870 war es Pflicht, dass Lehrer Schul-Chroniken verfassen", erklärt sie. Aus ihnen erfahre man unglaublich viel über die Geschichte der Gemeinde und das Leben damals. Schul-Chroniken würden wegen ihres Informations-Gehaltes von Heimatforschern nach wie vor häufig genutzt. Aus einem Polizei-Tagebuch der Nachkriegszeit habe die Historikerin viel heraus lesen können über die Not der Menschen: "Schwarzhandel und Plünderungen sind dort häufig als Delikte aufgeführt." Wann genau "die nächste Ladung" für Saarburg kommt, kann Weiter-Matysiak nicht sagen. Fest steht für sie: "Die konstante Luftfeuchtigkeit und die Sicherheit, die gewährleistet ist, sind ideal. Dieser Bunker ist das, wovon ein Archivar träumt."

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