Vom Leben lernen in Wuselkusen

KONZ/Wuselkusen. Abenteuer Alltag: In Konz haben 80 Kinder eine Woche lang in der Spielstadt Wuselkusen gelebt – einer Miniaturstadt, deren Alltag ihnen spielerisch vermittelt, wie das Leben der Erwachsenen funktioniert.

"Man muss früh da sein, um einen guten Job zu bekommen", sagt der elfjährige Jakob Rendenbach. Auch dass die Schlange bei der Wuselkusener Agentur für Arbeit lang sein kann, gefällt ihm nicht so gut. Das war's aber auch schon - sonst findet er Wuselkusen prima. Wuselkusen ist eine Kinderstadt. Sie entsteht alle zwei Jahre für eine Woche im Haus der Jugend in Konz - in zwei Häusern, verteilt über mehrere Etagen, in vielen Zimmern und bunten Zelten. Und Wuselkusen ist viel mehr als die Summe seiner Teile - viel mehr als eine Anhäufung verschiedener Werkstätten, Küchen oder Spielmöglichkeiten. Wuselkusen hat alles, was eine Stadt braucht

Wuselkusen ist eine eigene kleine Welt. Sie gehorcht ähnlichen Gesetzen wie die Welt draußen, die Welt der Erwachsenen: Wer sich etwas kaufen will, muss Geld verdienen. Wer Geld verdienen will, muss arbeiten. Wer arbeiten will, muss beim Bürgeramt gemeldet sein und sich beim Arbeitsamt vorstellen. Wie sich das für eine richtige Stadt gehört, gibt es in Wuselkusen Rathaus, Post, Bank, Supermarkt, ein eigenes Radio- und Fernsehprogramm, Restaurant, Eisdiele, viele Betriebe und Werkstätten, einen Frisör und zahlreiche Freizeitangebote. Wie rund 80 andere Kinder im Alter von sieben bis 13 Jahren hat Jakob Rendenbach in der vergangenen Woche verschiedene Berufe ausprobiert, seine ersten eigenständigen Behördengänge erledigt, Steuern gezahlt, gewählt und sein Essen mit dem ersten selbst verdienten Geld bezahlt. Vom Eismann zum Journalisten

Es wuselt in jedem Zimmer, in Küchen, in Zelten und sogar im Keller. Aus den Lautsprechern tönt laute Musik: Radio Wuselkusen sendet "54, 74, 90, 2010". Am Mikrofon sitzt neben Vanessa Clemens Luca Pause. Er mag am liebsten Fußballmusik. In der ersten Etage wird gerade die aktuelle Wuseler Stadtzeitung produziert. Die Reporter waren vormittags im städtischen Trickfilmstudio und haben sich erklären lassen, wie mit Hilfe einer in der "trickbox" angebrachten Kamera ein Trickfilm gemacht wird. Weiterhin wird berichtet, dass wieder einige Kinder bei tropischen Temperaturen ihren Führerschein gemacht haben. Hinter jeder Türe sind Kinder in Aktion: Sie sägen, töpfern, nähen, stellen Eis her, backen oder produzieren Schmuck. Die Wuselkusener Währung ist der Wusel. Jeder Stadtbewohner - egal ob Schreiner, Bäcker, Bankangestellter, Radiosprecher oder Gärtner - verdient acht Wusel in der Stunde. Das Geld brauchen sie unter anderem, um die in ihrem Beruf benötigten Rohstoffe oder Hilfsmittel einzukaufen: Mehl, Leder, Perlen, Papier. All dies können sie im Wuselkusener Supermarkt erstehen. Dort werden auch ihre Produkte angeboten. "Hier kann man richtig gut Berufe ausprobieren", sagt Jakob Rendenbach strahlend. Er ist gerade voller Eifer dabei, einen kleinen Comic für die Zeitung zu zeichnen. "So was wie Hägar", sagt er. Bevor er Journalist wurde, hat er nach eigenen Rezepten Eis hergestellt, und wie es für ihn beruflich weitergeht, werde sich am kommenden Morgen im Arbeitsamt entscheiden. Nach vier Stunden Arbeit beginnt für einen großen Teil der Kinder die Freizeit. Dann können sie sich im Freizeitpark auf der langen Rollenrutsche, der Hüpfburg, dem Trampolin oder mit Dosenwerfen vergnügen. Natürlich nur diejenigen, die nicht in der Freizeitbranche arbeiten. Wer will, kann sein Geld auch bei "Toy Story" im Kino auf den Kopf hauen. Spielerisch vermittele Wuselkusen den Kindern, wie das Leben funktioniert, sagt Dietmar Grundheber, Leiter des Hauses der Jugend in Konz. "Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen, im Team zu arbeiten und Entscheidungen zu treffen." Am heutigen Samstag feiert die bunte Kleinstadt Wuselkusen ihr Abschlussfest. Erst in zwei Jahren wird sie wieder ihre Pforten öffnen, um Konzer Kindern das Abenteuer Alltag zu ermöglichen.

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