Von 98 Euro kann ein Jugendlicher ein Jahr lang leben

AACH. Der Salesianer-Bruder Lothar Wagner aus Aach betreut in Ghana ein Straßenkinder-Projekt. In einem so genannten Boyshome versucht er, die Not vieler Kinder zu lindern.

Es ist heiß in Ghana. 34 Grad und stechender Sonnenschein. Dennoch: Auf dem Fußballplatz steht Bruder Lothar (30), umgeben von seinen Schützlingen, die der Rede des Salesianers lauschen. Er erklärt das Defensivspiel. Zu sehr hat sich der Coach und Ordensmann beim letzten Spiel über die Verteidigung aufgeregt. Schließlich kassierte die Hintermannschaft acht Tore. Verloren hat die Mannschaft trotzdem nicht, da es noch einen Sturm gibt, der für zwölf Tore und damit für eine spannende Partie sorgte. Bruder Lothar erhielt seine Spielpraxis in der Schülermannschaft des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Trier.Fußball unterstützt das Selbstbewusstsein

Heute gab es wieder eine Neuanmeldung. Damit zählt das Team nun 37 Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren. Bekannt ist die Fußballmannschaft in ganz Sunyani. Sunyani ist eine Stadt mit 60 000 Einwohnern in der Region Brong Ahafo mitten im ghanaischen Buschland. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Einwohnerzahl verdoppelt, und die Stadtfläche ist um 70 Prozent gewachsen. Die Holz- und Bauindustrie brachte neue Arbeitsplätze. Viele Menschen sind aus dem Norden nach Sunyani gereist, um Arbeit zu finden und bessere Lebensverhältnisse. Auch Kinder sind mitgepilgert zu dieser Stätte der Hoffnung. Für viele junge Menschen haben sich die Träume jedoch nicht erfüllt. Statt in einer schützenden Unterbringung schlafen Kinder unter Marktständen. Unterernährt und in zerfetzten Kleidern lungern sie herum und schauen nach Essen. Zum Arbeiten sind sie zu schwach und zu krank. Sie fühlen sich unnütz. Das Gefühl, gebraucht zu werden, erleben sie erstmals auf dem Fußballplatz. "Hier kommt man sehr schnell in Kontakt mit den jungen Menschen. Nach dem Spiel wird viel Wasser getrunken. Wenn man den Kindern das Wasser aus dem Brunnen reicht und ihnen ins Gesicht schaut, erkennt man sehr schnell die Situation der Straßenkinder", so Bruder Lothar, der ab und zu seine Wasserflasche aufsetzt.Hilfe zur Selbsthilfe muss angeboten werden

Der Fußballplatz befindet sich auf dem Gelände der Jugendhilfestation Boyshome. 34 Kinder und Jugendliche in Not, die bisher die Straße als Lebensort hatten, erhalten hier Nahrung, medizinische Versorgung, ein Bett, einen geordneten Lebensablauf und vor allem Bildung. "Wir können den Kindern nicht nur Fisch zum Essen geben, sondern müssen sie lehren, einen Fisch zu fangen”, beschreibt Schwester Ursula, eine Medizinerin aus Essen, kurz und knapp das Konzept. Und es scheint zu klappen. "Nach kurzer Zeit gelingt es uns immer wieder, mittellose Kinder ohne Familienhintergrund in das Gemeinschafts- und Schulleben zu integrieren”, so Bruder Lothar, der Leiter des zehnköpfigen Teams des Boyshomes. Dieses Jahr gehen die ersten beiden Jugendlichen nach ihrem Abitur zur Universität. "Benson möchte Theologie und Clement Medizin studieren”, verkündet Bruder Lothar stolz. Das ist die eine Seite, die Leben ermöglicht. Die andere Seite spricht von unvorstellbarer Armut: Kinder aus Kriegsgebieten, wie der Elfenbeinküste, aus Liberia oder dem Kongo, erreichen das Boyshome. Sie haben nichts. Sie können nach ihrer langen Flucht kaum mehr gehen, weder lesen noch schreiben. Für sie ist das Boyshome da. Dort bekommen sie ihre Menschenwürde wieder zurück. "Bei 132 Kindern haben wir einen unbedingten Hilfebedarf ermittelt. Aber wir haben nicht die Mittel, um zu helfen”, so Bruder Lothar. "Dabei bräuchten wir lediglich 98 Euro für einen Jugendlichen und wir könnten ein ganzes Jahr lang für ihn sorgen. Wenn man das weiß, fällt das Neinsagen um so schwerer."Farm-Arbeit und Wasserverkauf helfen weiter

Durch verschiedene Kleinprojekte versucht das Boyshome nicht nur von Spenden allein leben zu müssen. "So arbeiten die Jugendliche auf unserer Farm mit. Wir haben Kühe, Ziegen, Schafe sowie Kaninchen und einen kleinen Garten mit viel Gemüse”, erzählt Josef Anane, ein Erzieher aus Ghana. Außerdem verkaufen die Jugendlichen jeden Mittwoch auf dem Markt frische Pilze aus dem Boyshome. Vor einem Monat wurde ein neuer Brunnen gebohrt. Der Wasserverkauf ermöglicht ein kleines Einkommen. "Dennoch benötigen wir unbedingt Hilfe, sonst ist es uns in Zukunft nicht möglich, das bereits Bestehende zu sichern”, so der Aacher Ordensmann, der auf Unterstützung aus seiner Heimat hofft. Jede Hilfe ist willkommen. Einmal waren drei Deutsche zu Besuch im Boyshome. Sie brachten den Kindern einen Fußball mit. Den ganzen Nachmittag herrschten Leben, Freude und lustiges Treiben auf dem Fußballplatz. Ein Arzt aus Österreich schickte wichtige Medikamente für die heimeigene Klinik. Dort sorgt Schwester Ursula für die Jungen im und außerhalb des Boyshome.Balsam für verwundete Seelen

Täglich kommen etwa 30 Kinder mit Verletzungen, Entzündungen oder Infektionen. Der größte Wunsch aber ist ein neuer Fußballplatz für die Mannschaft. "Mit nur 5000 Euro können wir einen schönen Fußballplatz bauen”, so Bruder Lothar, der auch mit Blick auf diesen Traum auf deutsche Hilfe hofft. Bruder Lothar begrüßt die Kinder, wenn sie zur Klinik kommen. Die Behandlung der verwundeten Seelen beginnt mit einer herzlichen Aufnahme. Es sind Zeichen und Gesten, die die Kinder bisher nicht kannten. "Die medizinische Behandlung gebe ich dann ab an Schwester Ursula. Zwar bin ich im Boyshome der Leiter der Klinik, Fußballtrainer und Bauer, habe aber von nichts eine Ahnung”, schmunzelt Bruder Lothar und weiß, dass er eine großartige Arbeit an den Ärmsten der Armen tut. Wer helfen möchte, kann spenden. Bankverbindung: Mission der Salesianer Don Boscos, Pax Bank Köln, Bankleitzahl 370 601 93, Kontonummer 223 780 15, Kennwort (wichtig): Boyshome in Ghana. Kontaktadresse in Ghana.: Bruder Lothar Wagner SDB, Don Bosco Boyshome (Straßenkinderprojekt), P.O.Box 1835, Sunyani (B/A), Ghana E-Mail: lothar.wagner@donbosco.de

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