Von Hufeisennasen und Totholzbäumen

WILTINGEN. Unsere Serie über Naturschutz- und FFH-Gebiete (Flora-Fauna-Habitat-Gebiete) in der Region setzen wir heute mit einem Besuch im Wiltinger Wald fort. Der Bereich am oberen Ende des Praveltstals ist durch die Besonderheit eines Trockenwaldes mit hohem Eichenanteil gekennzeichnet.

Der Wiltinger Wald ist ein FFH-Gebiet und damit ein besonderer Standort (siehe Hintergrund). Schieferboden, in dem das Wasser schnell versickert, Quarzitfelsen und Stollen charakterisieren das Gebiet. Ein Gelände, in dem es Buchen zu trocken ist - und in dem Traubeneichen ihren idealen Standort aufgrund der historischen Bewirtschaftung gefunden haben. Seit dem Jahr 2001 ist das insgesamt 817 Hektar große Areal in drei Teilbereichen als FFH-Gebiet ausgewiesen. Und bietet damit eine Fülle von Lebensgrundlagen für Insekten und Folgenutzer, wie Vögel oder Fledermäuse, erläutert Manfred Weishaar, Nabu-Gruppe Ruwertal, mit Blick auf einen stehenden Totholzbaum, der "in seiner ökologisch wertvollsten Blütezeit steht". Der trockene Standort biete Lebensraum für Fledermäuse, die eigentlich im Mittelmeerraum leben, wie etwa die Große Hufeisennase, von der es deutschlandweit nur 100 Exemplare gebe. "Gestern habe ich ein Prozent davon in der Hand gehalten", berichtet Weishaar lächelnd. Zusammen mit Nabu-Sprecherin Corinna Albert und dem ehemaligen Revierförster Gerhard Reinert stellt der Experte das FFH-Gebiet vor. Der seltene Rauhfußkauz, von dem es in der Region nur zwölf Exemplare gebe, der Schwarzspecht, als Folgenutzer die Hohltaube, Hirschkäfer und veschiedene Bockkäferarten, Fledermäuse wie der Große Abendsegler oder die Bechsteinfledermaus - sie alle profitieren vom Totholzbaum und dem geschützten Lebensraum. Als Niederwald verdeutlicht das Gelände die besondere historische Waldbewirtschaftungsform. Im Jahr 1948 habe es die letzten Kahlschläge gegeben, sagt Reinert. Davor wurden in regelmäßigen Abständen partielle Bereiche kahlgeschlagen, das Holz zu Brennholz verarbeitet, die Rinde geschält und an Gerbereien in der Umgebung für die Lederherstellung verkauft. Die Wurzelstöcke trieben im Folgejahr wieder aus - und garantierten ganzen Familien Erträge in absehbaren Abständen. Zudem wurden freie Flächen im Wald mit Getreide bestellt und vereinzelte Eichenstämme als Bauholz verwendet, erzählt Reinert. Ein Drittel des Wiltinger Waldes ist FFH-Gebiet und lädt ausdrücklich zu Wanderungen ein - allerdings keine Pilzsucher im Herbst, die aufgrund des absoluten Trockenstandorts nicht fündig würden. Wegeböschungen, kleine Grünflächen, ein "Mosaik von Lebensräumen" kennzeichnen weiter das Gebiet, in dem beispielsweise die Karthäusernelke und seltene Gräser wachsen. Vereinzelte, unterirdische Stollen bieten Lebensräume für Fledermäuse. Als mittelfristige Nutzungsform des FFH-Gebiets sieht Reinert die Energiebereitstellung durch Brennholz, eine Nutzung, die ausdrücklich erlaubt sei. "Das ist kein Urwald, sondern ein Kulturland, gerade weil hier so gewirtschaftet wurde." Eine Gefahr sieht Reinert allerdings in der zunehmenden Verbuschung von Randbereichen des FFH-Gebiets, in denen früher Streuobstwiesen standen. Der dort eigene ökologische Lebensraum ginge somit verloren. "Aber das ist eine eigene Geschichte", sagt Reinert.

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