Wanderer zwischen zwei Weinwelten

KONZ. Er wohnt mit seiner Familie in Konz, aber er arbeitet im Badischen. Seit sechs Jahren ist Reinhard Streit Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Bischoffingen am Kaiserstuhl. Die Entwicklung des Moselweins beobachtet der Weinvermarktungs-Profi mit kritischem Realismus.

Im Wohngebiet Konz-Roscheid sind die Kleinwagen mit der Aufschrift "Winzergenossenschaft Bischoffingen" und einer Konzer Telefon-Nummer längst aufgefallen. Nein, kein Irrtum! Auch kein Besetzungsversuch durch auswärtige Weinbaugebiete im Moselland. Auf Umwegen zum aktuellen Metier

Die automobile Präsenz der Weinbaugemeinde am Kaiserstuhl hat einen einfachen Grund. Reinhard Streit arbeitet als Geschäftsführer der badischen Winzergenossenschaft. Aber er und seine Familie leben weiter in Konz-Roscheid. "Ich bin ohnehin viel unterwegs. Ob ich von Bischoffingen starte oder von Konz, ist ziemlich unwichtig", sagt Streit. Der Wein-Experte und Weinmanager hat eher auf Umwegen und durch Zufälle zu seinem aktuellen Metier gefunden. Geboren wurde er 1953 im Eifelstädtchen Speicher. Nach Abitur und zwölf Jahren Bundeswehr hat er an der Fachhochschule Trier Betriebswirtschaft studiert und 1984 seine Karriere beim Karlsruher Versand Heinrich Hein begonnen. Mit Wein hatte das bis dahin wenig zu tun. Wer hätte schon gedacht, dass der damals 31-Jährige, der Anfang 1985 in der Trierer Sektkellerei Bernard-Massard als Assistent der Geschäftsführung eingestellt wurde, 14 Jahre später die Winzergenossenschaft im badischen Bischoffingen auf Erfolgskurs bringen würde? Am Kaiserstuhl hat Streit neue Akzente gesetzt

Im Jahr 1999 hat Reinhard Streit in dem Weinbau-Dorf am Kaiserstuhl seine Stelle angetreten und gleich neue Akzente gesetzt. Er hat in die Kellertechnik investiert, hat den Anbau von Burgunder-Rebsorten forciert, hat dafür gesorgt, dass der Anteil der Massenweinsorte Müller-Thurgau deutlich reduziert wurde und unter "seinen" Winzern ein neues Qualitätsbewusstsein entwickelt. Außerdem ist er neue Wege im Vertrieb gegangen. Mittlerweile wird der Wein vom Kaiserstuhl bundesweit in 170 Depots verkauft. Ohne Aufschlag. "Weineinkauf zum Winzerpreis" - ein griffiger Slogan. Segment im Markt gefunden

Dieses Vermarktungskonzept erspart der Bischoffinger Vertriebsabteilung aufwändige Arbeit mit kleinen und kleinsten Versandeinheiten. Und es garantiert ein flächendeckendes Angebot hochklassiger Weine, die ihren Preis haben, und ihren Preis auch wert sind. Streit und seine Bischoffinger setzen auf Qualität und Eigenart ihrer Produkte. Sie haben im Markt ein Segment gefunden, in dem sie sich behaupten können. Das klingt fast schon wie ein Sanierungskonzept für die Deutschland AG. Reinhard Streit arbeitet in Bischoffingen. Aber er und seine Familie sind Konz, sind der Mosel treu geblieben. Die Entwicklung des Moselweins freilich betrachtete der Weinmanager mit einer Portion kritischem Realismus. "Man hat hier nicht nur zuviel produziert, sondern auch falsch", sagt Streit. Für Massenweine sei der Weinbau an der Mosel aufgrund der Flächenstruktur nicht geeignet, weil zu teuer, und bei Qualitätsprodukten gebe es ein erhebliches Vertriebs- und Vermarktungsproblem. Nur Kooperation schützt vor dem Absturz

Dass hier jeder Winzer für sich arbeite, sei für große Betriebe noch kein Problem, bedeute aber für die kleinen auf lange Sicht das Ende. Nur eine Kooperation wie in Bischoffingen mit klaren, festen Regeln, die dann auch eingehalten werden müssten, könne kleine Winzer vor dem Aus bewahren. Und mit Blick auf die immer größer werdende Zahl ausgehauener Weinberge: "An einer Flächenbereinigung führt kein Weg vorbei." Jetzt reist Streit mit seiner Familie erst einmal in den Winterurlaub. Und Mitte Januar in Bischoffingen? Da wird er nach den üblichen Routinearbeiten zunächst einmal eins tun: Er wird die Vertriebsplanung für das Jahr 2006 ausarbeiten. Damit der Wein vom Kaiserstuhl die Liebhaber auch erreicht.

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