"Wie bringe ich das den Leuten bei?"

SAARBURG. Die Fakten sind unmissverständlich. Sowohl die Zahl der Gläubigen als auch die der Priester wird in den kommenden Jahren deutlich zurückgehen, und zugleich wird die katholische Kirche mit tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert. Das Bistum hat darum das "Projekt 2020" gestartet. Die Eröffnungsveranstaltung fand in Saarburg statt.

"Keiner kann uns sagen, wie die Kirche in 15 Jahren aussehen wird", sagte Pfarrer Martin Lörsch. Damit reagierte der Leiter des "Projekts 2020" auf Kritik aus der Versammlung. Die Startveranstaltung im Dekanat Konz-Saarburg, die in Saarburg-Beurig stattfand, hatte neben engagierter Mitarbeit nicht nur Zustimmung ausgelöst. Man vermisse konkrete Informationen, sagte eine Teilnehmerin und erntete dafür Beifall. Die Methode der Veranstaltung sei falsch.Individueller Anteil am Veränderungsprozes

Tatsächlich lief das Gespräch anders ab als von vielen gewohnt. Die Projektleiter Martin Lörsch und Ute Wagner sowie Dechant Klaus Feid zielten auf eine möglichst offene Diskussion. Lörsch: Es sei ausdrücklicher Wunsch des Bischofs gewesen, nicht einfach zu beschließen, zu dekretieren und dann Informationen und konkrete Anweisungen auszugeben. Ins "Projekt 2020", mit dem die Kirche auf die dramatischen Veränderungen in Religion und Gesellschaft reagieren will, sollen die Gemeinden am Ort von Anfang an einbezogen werden. "Als Gemeinschaft in Bewegung" - auf diese Formel hatte Bischof Reinhard Marx die Neuausrichtung der Kirche im Bistum gebracht. Was bedeutet: Jeder Gläubige hat positiv Anteil am notwendigen Veränderungsprozess. Der dürfte das Dekanat Konz-Saarburg hart genug treffen. In den kommenden 15 Jahren werden wahrscheinlich die 33 Pfarreien im Dekanat auf fünf bis sechs Schwerpunkteinheiten reduziert - mit allen Strukturveränderungen und allen neuen Anforderungen an die Priester und Gemeindemitglieder. In Saarburg diskutierten mehr als 100 Mitglieder von Dekanatsrat und Dekanatskonferenz, Vorstände der Pfarrgemeinderäte, Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter über diese Perspektiven. Das auswärtige Interesse war groß. Von der Stadt Saarburg waren Bürgermeister Jürgen Dixius und der Erste Beigeordnete Leo Lauer erschienen, von der evangelischen Kirche Pfarrerin Elke Füllmann-Ostertag. Gezielt lief die Diskussion auf unterschiedlichen Ebenen ab - intellektuellen, emotionalen und spirituellen: Fragen und Antworten, zum Beispiel zur Zukunft der kirchlichen Gebäude ("keine Kirchenschließungen im ländlichen Raum"), zur Internet-Präsenz der Kirche, zur Identität der Kirche im Veränderungsprozess, auch zur Gottesdienstpflicht für katholische Gläubige. Ein Bibelgespräch in neun kleinen Gruppen über das Gleichnis vom Schalksknecht aus dem Matthäus-Evangelium, also konkret um Schuld und Vergebung. Eine Visualisierung: "Stellen sie sich ihre Gemeinde vor. Was wäre das treffende Foto?" Das mündete schließlich in eine Vielzahl von Fragen und Diskussionsbeiträgen. Wobei die Projektleitung immer wieder betonte, dass man sich auf Neuland bewege, dass "schmerzliche Entscheidungen" notwendig seien, dass aber der Veränderungsbedarf auch Chancen berge. Viele Fragen und viele Bilder

So führte das Bibelgespräch in neun Gruppen zu neun unterschiedlich gewichteten Antworten, und in den Bild-Visionen dominierten zwar die sozialen Themen, doch kam auch die landschaftliche und wirtschaftliche Situation des Dekanats zur Sprache. Ein Doppelbild von Möbel Martin und dem ländlichen Raum schlug eine Teilnehmerin vor, andere wollten die Kirchen in Saarburg und Wiltingen abbilden. Und schließlich kam die ökumenische Idee zur Sprache: die Abendmahls-Gemeinschaft der Christen, eine Zusammenarbeit zwischen Diakonie und Caritas. Alle Antworten, alle Gespräche und Diskussionen hatten dabei etwas bewusst Vorläufiges. Ein Prozess an der Basis soll in Gang kommen, eine sich selbst erneuernde Kirche von unten entstehen. Die Startveranstaltung freilich löste neben Kritik auch Ratlosigkeit aus. Ihre Gemeindemitglieder seien feste Regeln und Anweisungen gewohnt, sagte die Vorsitzende eines Pfarrgemeinderats an der Obermosel. "Wie bringe ich das hier nur meinen Leuten bei?"

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