"Wie kann ein Mensch so leben?"

SAARBURG. Zu einer äußerst unangenehmen Zwangsräumung kam der Gerichtsvollzieher des Amtsgerichtes Saarburg mit einem Mitarbeiterstamm sowie weiteren offiziellen Vertretern am Montagmorgen im Saarburger Blümchesfeld zusammen. Die Männer räumten das Haus, in dem eine Frau einige Jahre mit mehr als 40 Ziegen zur Miete gewohnt hatte (der TV berichtete). Ein Bild der Verwüstung bot sich dem Trupp.

Ungewöhnlich viel Leben am Montagmorgen im Saarburger Blümchesfeld: Vor dem Anwesen Nr. 26 warten um kurz vor 9 Uhr rund 15 Herren. Ein Grüppchen tauscht sich über das Ergebnis der Landratswahl am Vorabend aus, andere blicken kopfschüttelnd auf das vor ihnen liegende Haus."Bindet Euch die Hosen unten zu, da drinnen laufen Ratten rum", meint einer in die Runde. "Wir geben der Frau noch bis kurz nach 9 Uhr. Wenn sie bis dahin nicht aufgetaucht ist, machen wir auf", sagt Tilmann Konz, Gerichtsvollzieher am Amtsgericht Saarburg. Mit einem rund zehnköpfigen Trupp ist Konz an diesem Morgen angerückt. Ziegen waren am Sonntag schon weg

Gemeinsam werden sie gleich das zurückgelassene Inventar der Frau ausräumen, die seit 1997 das freiliegende Haus im Blümchesfeld 26 bewohnt hatte – seit 2001 mit 43 Ziegen, wie einer der beiden Vermieter dem TV berichtet. Beide Vermieter wollen ungenannt bleiben.Auch zwei Beamte der Polizei Saarburg, Dr. Andreas Klein vom Gesundheitsamt, Bezirks-Sozialarbeiter Michael Gern sowie Michael Meyer vom Ordnungsamt in Saarburg sind vor Ort. Von einer Aufgabe sind Konz und seine Mitarbeiter schon mal befreit: "Ich habe am Sonntag zweimal nach der Frau und den Tieren geschaut", sagt Konz. "Um 17 Uhr waren alle Ziegen weg." Auf ein Gelände in die Nähe von Kastel-Staadt habe die Frau die Tiere bringen lassen, habe Konz gehört. Die 1947 geborene Halterin und Psychologin halte sich ebenfalls dort in einem Wohnwagen auf. Zehn Minuten nach 9 Uhr gibt Tilmann Konz grünes Licht: "Lasst uns reingehen und mit dem Ausräumen anfangen." Über völlig abgewetzte Stufen und einen mit reichlich Mist und Stroh bedeckten Weg gelangen die Helfer zum Haus-Eingang. Neben der Tür steckt eine vergammelte Waschmaschine metertief im Dreck. Badematten hängen kreuz und quer über einem Außen-Geländer, ein Fahrrad baumelt von der Decke. Von einer Schubkarre, die ebenfalls im Mist versunken ist, ragen gerade noch die Spitze und die Griffe heraus. Die mit einem Fahrradschloss verriegelte und mit einem großen Loch versehene Tür müssen zwei Herren mit einer großen Zange aufbrechen. Einer der beiden Vermieter bleibt kopfschüttelnd vor der Tür stehen: "Welcome to the desaster", zischt er zynisch und meint: "Ich gehe nicht mit hinein. Das tue ich mir nicht nochmal an." Die übrigen Herren haben keine Wahl. Auf den ersten Schritt ins Hausinnere ist allerdings niemand erpicht. Beißender Geruch von Ziegen und deren "Hinterlassenschaften" strömt allen entgegen. In den zwei Zimmern und dem kleinen Badezimmer herrscht absolutes Chaos. Ein Klavier steht quer in der Küche, darüber hängen von einer Metallstange Kleidungsstücke herunter. Prall gefüllte Mülltüten baumeln an einem Haken, in allen Ecken stehen vernachlässigte Gegenstände herum. Auch das Bad, als solches fast nicht mehr erkennbar, ist in unbeschreiblichem Zustand. "Das hier ein Mensch gewohnt hat, ist nicht zu glauben. Wie kann man nur so leben?", sagt einer der Helfer. Niemand möchte namentlich genannt und mit der Situation in Zusammenhang gebracht werden. "Was von den Sachen noch zu gebrauchen ist, müsst Ihr extra packen, den Müll aussortieren", weist Konz an. Immer wieder schüttelt er fassungslos den Kopf: "Ich war fast 40 Jahre als Gerichtsvollzieher tätig und gehe bald in den Ruhestand. Aber das hier setzt mir richtig zu. Das macht mich fix und fertig."

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