Wundersam verschont

FÖHREN. (red) Paul Schönhofen aus Föhren war 15 Jahre alt, als er im Kriegswinter 1944/45 einen Einberufungsbefehl zur Waffen-SS erhielt. Ein Wunder, so sagt er heute, habe ihm damals erspart, dem Befehl Folge leisten zu müssen.

Es muss nach Weihnachten 1944 oder Anfang 1945 gewesen sein. Da bekamen Richard, Helmut, Rudi Orth und ich den Stellungsbefehl zur Waffen-SS. Wir wollten da nicht hin und versteckten uns in einem 14 Meter langen Stollen, den wir als Kinder selbst gebaut hatten. Von dort aus bekamen wir den Artilleriebeschuss mit und sahen sogar, wie ein Soldat von Splittern tödlich getroffen wurde. Meine Familie hauste damals im Keller unseres Hauses. Dorthin kam einer von der SS, um mich zu holen. Als der so mit "Heil Hitler" reinkam, sagte mein Opa zu ihm: "Der Junge geht nicht! Mir sind zwei Söhne gefallen und der Vater des Jungen ist in Russland." Am Abend dieses Tages schlichen wir runter ins Dorf zu unseren Leuten. Die sagten: "Es hat keinen Zweck, sich zu verstecken, sie suchen euch und lassen euch nur noch eine Möglichkeit: Ihr müsst euch bis morgen zehn Uhr auf dem Blockhaus in Mehring (Stellung der SS) melden." Es blieb uns nichts anderes übrig, und wir machten uns auf den Weg. In Mehring mussten wir auf die andere Moselseite. An der Brücke begegnete uns ein alter Mann, der uns fragte, wo wir hin wollten. Als wir es ihm erzählten, sagte er: "Da geht ihr nicht hin! Da oben fliegt ein Bomber, der jeden Moment angreifen kann! Ich bin euer Zeuge, dass ihr nicht über die Brücke konntet. Hier habt ihr meine Adresse. Und jetzt tummelt Euch!" Wir kehrten um und wären als Fahnenflüchtige wahrscheinlich wieder von der SS gesucht worden. Aber die kam nicht mehr über die Brücke, denn inzwischen waren tatsächlich Bomben darauf gefallen. Und die Brücke in Schweich war in die Luft gesprengt worden. Das war ein Wunder! Heute weiß ich auch, wieso ausgerechnet wir vier einen Stellungsbefehl bekamen: Soldaten hatten bei uns im Ort eine Kiste Nebelgranaten hinterlassen. Wir wussten nicht, wie die Granaten funktionierten. Aber da stand: "Mit Wucht auf's Ziel werfen." Das probierten wir aus. Eine riesige Nebelwolke entstand, und genau in dem Augenblick kamen ein paar alte Frauen aus der Kirche. Eine erkannte uns und drohte: "Ich schreibe dem Himmler!" Und sie hat uns tatsächlich gemeldet, denn außer uns vieren erhielt keiner den Stellungsbefehl. Dass ich bei diesem und anderen Ereignissen jedes Mal glücklich davonkam, schreibe ich dem Wirken von Schwester Alquina aus dem Föhrener Kloster zu, die mich schon als Säugling kannte und mir später eine Stellung als Verwalter des Klosters vermittelte. Paul Schönhofen (Foto: Anke Emmerling), heute 75 Jahre alt, lernte während seiner Verwaltertätigkeit im Kloster seine zukünftige Frau kennen, die dort ebenfalls arbeitete. Mit ihr hatte er fünf Kinder.

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