Zeitreise mit Lerneffekt

KONZ. Große Augen machten die Kinder, und die Erwachsenen staunten nicht schlecht: Ist das Leben heutzutage doch so viel leichter als noch vor 100 Jahren. Eine Zeitreise in vergangene Jahrhunderte machten 30 TV -Leser beim Besuch des Volkskunde- und Freilichtmuseums Roscheider Hof.

Etwas entsetzt drückte sich die kleine Hannah aus Salmtal ihr Näschen am Schaufenster der Zahnarztpraxis platt. Monströse Gerätschaften, darunter ein fußbetriebener Zahnbohrer, schienen die Siebenjährige wohl eher an eine Autowerkstatt zu erinnern als an ein Behandlungszimmer. "Die alte Schulklasse mit den tollen Holzbänken hat mir da besser gefallen", sagte Hannah, die mit Mutter Jutta Hower zum Roscheider Hof gekommen war. Insgesamt 30 Leser nahmen an der Ferienspaß-Aktion des Trierischen Volksfreunds im Volkskunde- und Freilichtmuseum Roscheider Hof teil. Unter fachkundiger Führung von Christa Wegner-Waagmeester begaben sie sich auf eine Zeitreise weit zurück ins vergangene Jahrtausend. Der Duft hunderter Rosen und anderer Blumen sowie Kräuter, ferner die Farbenpracht der Blüten im großen Rosengarten verzauberten so manch einen der Besucher. Der Garten, der im Stil des Biedermeier angelegt ist, bildete den Auftakt zu der Museumstour. Nächstes Ziel waren die vielen kleinen Fachwerkhäuschen des "Hunsrückweilers". Es schien so, als betrete man eine andere Welt. Verschiedene Wohn- und Wirtschaftsgebäude, die zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert an unterschiedlichen Orten im Hunsrück errichtet worden waren, waren zu sehen. Bereits hier wurde dem einen oder anderen klar: Zwischen damaligem und heutigem Leben liegen Welten. Kein Supermarkt war weit und breit zu sehen - stattdessen einen Krämerladen in einem Haus aus der Zeit um 1835. Auch eine Bäckerei gab es seinerzeit auf den Dörfern nicht. "Damals haben die Leute ihr Brot im Backhaus selbst gebacken", erklärte Christa Wegner-Waagmeester. Staunend standen der sechsjährige Julian aus Trier und Bruder Simon vor dem großen Steinbackofen, der so groß war, dass man problemlos hätte hineinklettern können - anders als beim Herd in Mamas Küche. Besonderes Interesse weckte das Schul- und Lehrerwohnhaus. Lediglich das Holzgerippe des aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gebäudes war zu sehen. "Hier haben wir eine gute Möglichkeit, einen Blick auf die Technik des Fachwerkbaus zu werfen", erklärte Wegner-Waagmeester. Vor allem die männlichen Tourteilnehmer, darunter sicher auch einige Bauherren, zeigten sich erstaunt über die komplizierte Konstruktion. "Da hat man es heute wesentlich einfacher", erkannte einer erleichtert. Vom "Hunsrückweiler" aus machte sich die Gruppe auf den Weg zur Innenausstellung. Dort hatte es das Schulmuseum mit dem alten Klassenzimmer vom Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem den Kleinen angetan. Mit erstaunten Blicke und Naserümpfen quittierten sie den Hinweis, dass einst bis zu 60 Schüler und mehr aus unterschiedlichen Altersgruppen gleichzeitig unterrichtet worden waren. "Da hat man heute im Klassenraum viel mehr Platz, auch wenn die Klassenräume oft nicht ganz so gemütlich sind", erklärte Wegner-Waagmeester. Viel zu sehen gab es auch in der Ladengasse mit den vielen bunten Läden, darunter ein Fotoladen, ein Tante-Emma-Laden und schließlich die in die Jahre gekommenen Zahnarztpraxis mit den massiv wirkenden, angsteinflößenden Gerätschaften. Hier endete der geführte Teil der kleinen Exkursion in die Vergangenheit, von der sich jeder der 30 Teilnehmer begeistert zeigte. Michael Althoff war mit seiner Familie aus Bengel angereist. Nicht nur Begeisterung war auch in der Stimme von Ehefrau Annette zu hören. Eine Art Lerneffekt erhoffte sie sich für Sohn Dennis: "Ich finde es gut, dass die Kinder einmal sehen, mit welchen Annehmlichkeiten sie heute groß werden und in welcher Bescheidenheit die Leute damals lebten." Bestimmt sei man vor 100 Jahren nicht weniger glücklich gewesen. Der zwölfjährige Dennis zeigte sich davon unbeeindruckt: "Wenn es sein muss, kann ich auch ohne Computer oder Handy auskommen." "Lass das mal wahr sein", bemerkte Vater Michael, und beide mussten schmunzeln.

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