Zeitung, Uhren und Feuerzeuge

KONZ-OBEREMMEL. Man kennt sie, obwohl man sie kaum sieht, wenn sie arbeitet: Dass der Trierische Volksfreund auch jeden Morgen pünktlich zum Frühstück im Haus ist, dafür sorgt in Oberemmel Johanna Rupprecht. Seit Jahren trägt sie den TV aus, und auch mit fast 80 Jahren kann sie sich ein Leben ohne diesen Job nicht vorstellen.

Ein Wohnzimmer, voll mit Uhren, Puppen, Decken - und mittendrin eine lebenslustige und auskunftsfreudige 79-Jährige, die Fingernägel rot lackiert: So sitzt Johanna Rupprecht in ihrem Haus in Konz-Oberemmel und erzählt. Sie sei nicht in Oberemmel geboren, fängt sie an. "Aus Halle an der Saale über Berlin, Frankfurt und Konz bin ich schließlich hier gelandet. Das war am 12. September 1958", erinnert sich Johanna Rupprecht. Und seitdem ist sie auch nicht mehr weggegangen aus dem Ort. Leicht hatte sie es zunächst nicht, stellt sie rückblickend fest: "Die ersten beiden Jahre habe ich mit meinem Mann und meinem ältesten Sohn bei einem Mann im Haus gewohnt und dort den Haushalt gemacht." Später dann, 1961, kam sie zu dem Job, den sie auch heute noch ausführt, und wofür sie in Oberemmel bekannt ist: Johanna Rupprecht bringt den Trierischen Volksfreund zu den Oberemmeler Abonnenten. "Ich stehe morgens um 4 Uhr auf, gehe um halb fünf raus und bin gegen sechs, halb sieben wieder fertig", so die 79-Jährige, der man sowohl die Herkunft aus Halle an der Saale als auch die Jahre in Oberemmel anhört: Beide Akzente sind hier vereint. "Früher bin ich immer mit dem Mofa gefahren, heute mach' ich das aber mit dem Auto." Bei Wind und Wetter geht es jeden Morgen raus, doch das findet Johanna Rupprecht überhaupt nicht schlimm - sie macht das Beste draus. Zum Beispiel, wenn es glatt ist, so wie in diesem Winter oft. "Da bin ich einfach auf allen Vieren über die Straße", grinst sie.So viele Jahre waren nie geplant

Dass es nun schon so viele Jahre sind, in denen sie Morgen für Morgen loszieht und die Briefkästen füllt, das hat Johanna Rupprecht so nie geplant. Fünf Kinder hat sie, und als die noch klein waren, da kam der Zeitungsjob gerade recht. "Es war ja nicht so einfach damals, und da dachte ich, ich übernehme die Zeitung und suche mir, wenn die Kinder größer sind, noch mal einen richtigen Beruf." Doch es blieb beim Zeitung-Austragen, obwohl der Traumberuf ein völlig anderer war: "Ich wollte immer Stewardess auf einem Schiff oder in einem Flugzeug sein." Dieser Traum habe sich aber leider nie erfüllt. Auch wenn die ersten Jahre in neuer Umgebung damals nicht einfach waren, heute fühlt sie sich zu Hause in Oberemmel. Und sie hat viel erlebt in der Zeit, hat das Dorf wachsen sehen - und das natürlich vor allem beim Arbeiten gemerkt: "Als ich anfing, hatte ich 103 Zeitungen, heute sind es 350", bestätigt sie. Die Arbeitszeiten bringen es mit sich, dass sie selten Menschen antrifft beim Austragen. Die meisten Einheimischen kenne sie aber ganz gut, sagt die begeisterte zehnfache Oma, die auch schon mal beherzt den Pastor angerufen hat, um ihren Enkel bei den Religions-Hausaufgaben zu unterstützen. Ins Zeug legt sie sich auch bei der Handarbeit, einem ihrer Hobbys. Häkeldeckchen im Wohnzimmer zeugen davon, früher habe sie ihre Kleidung selbst genäht. "Und ich habe einen Uhren- und Feuerzeug-Tick", verrät sie laut lachend und holt einen ganzen Beutel voll mit Feuerzeugen hervor. "Mein Sohn bringt mir immer wieder neue mit, zum Beispiel aus Ibiza", sagt sie, und die Augen glänzen. "Ich kann den Montag kaum erwarten"

Das Austragen der Zeitungen sei für sie nicht nur ein Gelderwerb, sondern auch und vor allem ein Ritual. Es hält sie fit: "Meine Tochter hat einmal gesagt: Mama, wenn du die Zeitungen mal nicht mehr hast, dann bist du schnell eine alte Frau." Und auch, wenn sie sich über den freien Sonntag freut: "Ich kann den Montag kaum erwarten."

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