Zwei bronzene Neubürger

WASSERLIESCH. Der Dorfplatz in Wasserliesch hat seit kurzem ständigen Besuch: Der Schellenmann und der Fährmann haben in Bronze gegossen Position in der Orts-Mitte bezogen.

Wasserliesch hat zwei seiner Originale zurück: Verewigt in Bronze gibt es in der 2400-Seelen-Gemeinde wieder den Schellenmann sowie den Fährmann. Damit hat sich nicht allein der Wunsch des langjährigen Bürgermeisters Josef Reinert, sondern auch seines Nachfolgers Herbert Rausch, und vieler anderer Wasserliescher erfüllt.Teil der Wasserliescher Geschichte

Denn beide Figuren gehören zur Geschichte Wasserlieschs. Ältere Einwohner sind sowohl mit dem Schellen- als auch mit dem Fährmann aufgewachsen. Auch der neue Ortsbürgermeister Herbert Rausch kann sich vor allem an den Schellenmann noch gut erinnern: "Als ich zehn Jahre alt war, ist unsere Familie an den Marktplatz gezogen. Dorthin kam mindestens einmal in der Woche der Schellenmann. Er stellte sich an die Ecke des Platzes, klingelte laut mit seiner Glocke und verlas in rasantem Tempo die neuesten Nachrichten. Mit Nachfragen war da nichts. Was man nicht mitbekommen hatte, hat er nicht nochmal wiederholt."Erfreuliches und Unangenehmes

In vielen Gemeinden sei der Schellenmann über einige Jahrzehnte gang und gäbe gewesen - überall da, wo es kein offizielles Mitteilungsorgan gab. "Ungefähr bis in die Mitte der 60er-Jahre hat er bei uns die Nachrichten verlesen." Nicht allein vom Marktplatz aus, sondern auch von wenigen weiteren markanten Punkten des Dorfes habe er Erfreuliches und Unangenehmes verkündet. Passierte etwas Außergewöhnliches, sei er auch zwischendurch aufgetaucht. Die Glocke des letzten Schellenmannes hat die Gemeinde verwahrt. Herbert Rausch: "Anfragen von Sammlern, die die Schelle gerne hätten, gab es in der Vergangenheit zuhauf. Aber die rücken wir nicht heraus. Das ist Teil der Wasserliescher Historie." Auch der Fährmann hat in der Gemeinde seine ganz spezielle Geschichte. Als es die Umgehungsstraße B 419 noch nicht gab, verkehrte mehrmals täglich eine Auto- und Personenfähre zwischen Wasserliesch - beziehungsweise dem früheren Ortsteil Reinig - und Igel. Bis 1967 war die Fähre im Einsatz. Zwischen 1927 und 1962 steuerte sie der Fährmann Matthias Bamberg. Zahlreiche Anekdoten reihten sich um das bekannte Original, berichtet Herbert Rausch. So seien die "Fahrgäste" - darunter viele Wasserliescher, die in Igel gearbeitet hätten, durchaus abhängig von der Tagesstimmung und Befindlichkeit des Wasserliescher Fährmannes gewesen. Mehrmals täglich habe er auf Zuruf die Fähre bewegt. "Aber wenn er nicht wollte, hat er es auch bleiben lassen", erzählt Rausch schmunzelnd. So sei überliefert, dass Bamberg ans andere Ufer gerufen habe: "Ich geb' Euch Geld, fahrt mit der Bahn." Sechs bis acht Autos passten auf die Fähre. Wollten nur wenige Fußgänger übersetzen, hat Bamberg auch schon mal ein kleines Boot bewegt. Den Anstoß, diese beiden Figuren zu verewigen, habe der ehemalige Bürgermeister Josef Reinert gegeben, berichtet Rausch. Vor allem die CDU-Fraktion habe die Idee jedoch von Anfang an unterstützt. "Der Marktplatz war uns immer zu leer. Wir haben überlegt, wie man ‚Kunst am Bau' vernünftig umsetzen könnte, ohne dabei den finanziellen Rahmen völlig zu sprengen." Ortsansässige Firmen seien angeschrieben worden mit der Bitte um finanzielle Unterstützung. Mehr als 10 000 Euro seien zusammengekommen. Rausch: "Wir haben dann mehrere Künstler der Region beauftragt, einen Vorschlag zur Umsetzung zu machen und uns für den Bernkastel-Kueser Bildhauer Bernd Wendhut entschieden." Mannshohe Statuen in Bronze sind das Ergebnis der Wendhutschen Arbeit. Im April wurde der Schellenmann aufgestellt, vor wenigen Wochen kam der Fährmann hinzu. Der Fährmann hat zudem ein angedeutetes Boot aus rotem Sandstein bekommen.Abstrakte Gesichter

Herbert Rausch betont, dass die Figuren zwar die Funktionen der Wasserliescher Originale widerspiegeln, nicht jedoch die wirklichen Personen abbilden. "Von den Gesichtern oder den Körpern her gibt es keine Ähnlichkeiten." Der Bürgermeister freut sich über die beiden "Neu-Bürger" und erzählt schmunzelnd: "Als der Fährmann aufgestellt wurde, dachte ich: ‚Mensch, ist das ein Riesen-Kerl'. Aber mit der gesamten Einfassung wirken die zwei Männer wohl proportioniert." Auch die Wasserliescher hätten die neuen Gemeindemitglieder gleich in ihr Herz geschlossen. Und die Bäckersfrau am Marktplatz gibt dem TV den Tipp: "Machen Sie das Foto am besten morgens um 6.30 Uhr. Dann stehen die Figuren in ganz tollem Licht." Wegen technischer Probleme im Kommunikationsnetz der Deutschen Telekom bringen wir den für heute angekündigten Beitrag über das Mittwochskonzert im Boemundhof zu einem späteren Zeitpunkt.

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