Zwitschernde Plantagen-Frevler

TRIER. Die regionale Obsternte 2005 fällt eher dürftig aus und ist in keiner Weise vergleichbar mit dem Spitzenergebnis des Vorjahres. Die Experten nennen mehrere Ursachen.

"Das ist meist die ganze Ausbeute, die Hobbygärtner in diesem Jahr an ihren Apfelbäumen vorfinden", sagt Pflanzenschutzberater Franz-Josef Scheuer und hebt einen Plastikbeutel mit winzigen grünen Früchten hoch, die nur bei genauem Hinsehen als "Äpfel" erkennbar sind. Bäume müssen "überlistet" werden

Der Experte vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Trier - ehemals Landes- Lehr- und Versuchsanstalt - kennt auch die Ursachen für die Missernte. Unwetter? Klimawandel? Umweltprobleme? Irrtum - laut Scheuer haben die Apfelbäume in diesem Jahr ihr so genanntes Alternanzjahr eingelegt. Das ist eine Art "Auszeit", die sich die Bäume im zweijährigen Rhythmus genehmigen. So sammeln sie neue Kraft für eine ausgeprägte Fruchtentwicklung im Folgejahr. Professionelle Obstanbauer kennen dieses Verhalten ihrer Pflanzen und wissen, wie man sie trotz Alternanzjahres überlisten und etwas aus der Reserve locken kann: Sobald sich die Minifrüchte an den Ästen zeigen, werden sie konsequent ausgedünnt, sodass das Gewächs seine Kräfte auf wenige Früchte bündelt und sie voll ausreifen lässt. "Die Erntemenge fällt in diesem Jahr dann entprechend dürftig aus", sagt Scheuer und nennt noch zwei zusätzliche Faktoren, die in diesem Jahr den Ertrag drücken: Ein Frostspannerbefall führte schon im Frühjahr zu Schäden in den Plantagen - insbesondere dort, wo nicht rechtzeitig Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kamen. Kein Gegenmittel gibt es aber gegen ein Phänomen, für das Scheuer und seine Expertenkollegen noch keine Erklärung finden können: Die lieben Singvögel haben ihre Liebe zum Kernobst entdeckt!Rund 80 Betriebe in der Region

Scheuer: "Insbesondere Spatzen und Amseln fallen über die Plantagen her und hacken auf den fast erntereifen Früchten herum." Meist werde nur die Schale aufgepickt und etwas Fruchtfleisch herausgefressen. Danach habe der Vogel an dieser Stelle genug und mache sich ein paar Meter weiter über die nächste Frucht her. "Dieses rätselhafte Verhalten haben wir bei Singvögeln bisher noch nie beobachtet", sagt Scheuer. Der Schaden, den die Tiere in der gesamten Region anrichten, ist erheblich. Zum Verkauf sind die angepickten Äpfel nicht mehr geeignet - sie faulen schon am Baum und müssen schnellsten ausgesondert werden, um nicht die benachbarten Früchte zu gefährden. Je nach Lage kann der Verlust durch die marodierenden Vögel mehrere Tonnen pro Plantage betragen. Insgesamt 80 Betriebe in den Kreisen Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich und Bitburg-Prüm erzeugen im Haupt- oder Nebenerwerb zurzeit Apfelobst. Die Gesamtanbaufläche in diesem Bereich umfasst rund 150 Hektar. Das Gros der heimischen Erzeuger vermarktet seine Produkte selbst - sei es durch Verkauf ab Hof und/oder über eigene mobile Verkaufsstände. Der Schwerpunkt liegt beim Apfel - in kleineren Mengen werden aber auch Birnen, Mirabellen und Zwetschgen angebaut. Die wichtigsten der in der Region erzeugten Speiseapfelsorten sind Gala, Elstar, Rubinette, Jonagold, Breaborn, Fuji und Pinova Pilot. Diese Sorten findet der Verbraucher auch im Supermarktregal. Aber es gibt einen bedeutenden Unterschied, auf den der DLG-Experte hinweist: "Die Ware vom heimischen Bauern wird genussreif geerntet." Sie sei also schon so entwickelt, dass sie im optimalen Reifezustand direkt vom Baum gepflückt und verzehrt werden könne. Das Obst im Handel werde hingegen früher geerntet, um erst bei Transport und Lagerung nachzureifen.

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