Sind bisherige Entscheidungen zur Windkraft nichtig?

Saarburg · Die bisherigen Abstimmungen zur Änderung des Flächennutzungsplans sind möglicherweise nichtig. Der Grund: Der Ortsbürgermeister von Irsch hat für seine Gemeinde bereits Vorverträge über die Errichtung von Windrädern auf gemeindeeigenen Grundstücken abgeschlossen und trotz eines gesetzlichen Verbots an den Abstimmungen über die Ausweisung von privilegierten Standortflächen teilgenommen.

Nur selten bekommt die Öffentlichkeit Einblick in die Entscheidungen, die kommunale Gremien in nichtöffentlichen Sitzungen treffen. Neben Bauanträgen werden hier oft vertragliche Angelegenheiten der Gemeinden erörtert. So dürfte es auch im Juli 2013 gewesen sein. Damals schloss laut Verbandsgemeindeverwaltung der Ortsbürgermeister von Irsch, Jürgen Haag, für seine Gemeinde einen Pachtvertrag mit einem Windanlagenbetreiber.
Das könnte Folgen für zumindest einen Teil der bisherigen Beschlüsse zur Änderung des Flächennutzungsplans (FNP) der Verbandsgemeinde (VG) Saarburg im Bereich Windkraft haben. Denn nach Auffassung des rheinland-pfälzischen Innenministeriums hätte Haag, der auch Mitglied des VG-Rats ist, bei den vorbereitenden Entscheidungen zur Änderung des FNP aufgrund möglicher Betroffenheit nicht mitwirken dürfen. Das ergibt sich aus den Sitzungsunterlagen, die den Mitgliedern des VG-Rats zur jüngsten Sitzung von der Verwaltung zugesandt wurden.Neue Bewertung seit Januar


Bislang war die Verwaltung der VG Saarburg davon ausgegangen, dass diese Ortsbürgermeister nicht befangen seien und ein gesetzliches Mitwirkungsverbot daher nicht bestehe. Das war bis zum Winter auch die Auffassung des rheinland-pfälzischen Innenministeriums sowie der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier. Doch seit Januar bewertet das Mainzer Ministerium diesen Sachverhalt neu. Es kommt zu dem Ergebnis, dass Ortsbürgermeister, die Mitglied eines VG-Rats sind, unter bestimmten Voraussetzungen nicht befugt seien, an Entscheidungen dieses Gremiums bei der Aufstellung von FNP mitzuwirken. Namentlich gilt das für den Fall, dass Ortsgemeinden selbst Eigentümer von Grundstücken sind, die in Windvorrangflächen liegen.
Die auf Verwaltungsrecht spezialisierte Anwaltskanzlei Jeromin und Kerkmann aus Andernach präzisiert diese Vorgaben des Innenministeriums in einem eigens für die VG-Verwaltung erstellten Gutachten. Darin heißt es: "Aus unserer Sicht dürfen die dem Verbandsgemeinderat angehörenden Ortsbürgermeister derjenigen Gemeinden, die über eigene Grundstücke im Bereich der vorgesehenen Vorrangflächen des Flächennutzungsplans verfügen, an der Beratung und Entscheidung über den Flächennutzungsplan nicht mitwirken, wenn die Gemeinde bereits einen Gestattungsvertrag über die Windenergienutzung auf ihrem Grundstück abgeschlossen hat."
Diese Einschätzung hat Folgen, auch für das laufende Verfahren über die Ausweisung von Windvorrangflächen im FNP der VG. Die bisher hierzu im Rat gefassten Beschlüsse könnten zum Teil unwirksam sein mit der Konsequenz, dass alle künftigen Entscheidungen mit diesem Makel behaftet sind. Das könnte im schlimmsten Fall bedeuten, dass bei einer gerichtlichen Überprüfung des FNP dieser bezüglich der ausgewiesenen Windkraftflächen für nichtig erklärt wird.
Zurzeit sucht die Verwaltung nach einer Lösung, wie dieser Verfahrensfehler geheilt und der Plan gerichtsfest gemacht werden kann. Eine Möglichkeit wäre wohl, die bislang gefällten Entscheidungen zu wiederholen, dann ohne Mitwirkung von Jürgen Haag. Endgültig geklärt ist diese Frage bislang nicht. Von der Tagesordnung der jüngsten Sitzung des VG-Rats wurde dieses Thema kurzfristig abgesetzt. Aus den Reihen des Rats heißt es, dass man zunächst klären wolle, ob möglicherweise weitere Ratsmitglieder von der Mitwirkung an diesem Planverfahren ausgeschlossen sind. Hinter den Kulissen werde gerungen, welche Ratsmitglieder entsprechende Unterlagen einsehen dürfen.
Laut einer Presseanfrage haben neben Irsch die Gemeinden Palzem, Wincheringen, Kirf, Serrig, Freudenburg und Taben-Rodt Grundstücke in den zurzeit untersuchten Prüfflächen für Windkraft. Bisher hat nach Auskunft der VG ein Windanlagenbetreiber einen Vorvertrag nur mit der Gemeinde Irsch abgeschlossen.Extra

Der Saarburger Verbandsgemeinderat berät seit Herbst 2011 über die Ausweisung von Vorrangflächen für Windkraft in der Verbandsgemeinde (VG) Saarburg. Inzwischen wird hierfür auf dem Gebiet der VG noch eine Fläche von 614 Hektar, das entspricht etwa der Größe der Gemeinde Fisch, näher untersucht. Im Herbst vergangenen Jahres verabschiedete sich der Rat von der Idee, auf dem Abendsteg Windkrafträder zu erlauben. Die Anhöhe zwischen Hunsrückhöhenstraße, Irsch und dem ehemaligen Truppenübungsplatz sei kulturhistorisch von zu großer Bedeutung, als dass man dort Windräder aufstellen dürfe. Dem widersprach in der Sitzung der Ortsbürgermeister von Irsch, Jürgen Haag (FWG): "Es gibt keinen objektiven Beleg dafür, dass dieser Bereich landschaftlich so bedeutend ist, dass man hier bereits in diesem Planstadium Windkraft ausschließen sollte (der TV berichtete)." itz

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