Das Gute am Stau

Wenn mein Martin sauer ist, dann fliegen die Fetzen! Schimpfen kann dieser Mann wie ein Rohrspatz. Leider lässt er seine Tiraden meist an mir aus. Wo auch sonst? Unsere Jungs, wenn sie mal zu Hause sind, kratzen sofort die Kurve, wenn Martin so geladen heimkommt.

So geladen wie am Dienstag zum Beispiel. Mann, hatte der eine Laune! Und das nach einer Dienstreise, wo er für gewöhnlich gut drauf ist. Mal raus aus dem Büromief, andere Leute sehen, schwärmt er immer.

Am Dienstag aber war alles anders. "Wenn die mich in den nächsten Wochen noch mal auf irgendein Seminar schicken wollen, dann nur mit dem Hubschrauber", polterte Martin los, knallte die Haustür zu und seine Tasche in die Ecke.

"Da sind ja wieder Experten am Werk: Die rauben einem den letzten Nerv und die letzte Stunde meiner Freizeit." "Wer ist die, und wovon sprichst du?", fragte ich nichtsahnend, was ihn nur anstachelte.

"Du hast dich ja wohl heute keinen Zentimeter aus dem Haus bewegt", schnaubte er mich an. "Von der A 1 über die Zurmaiener bis zu uns nach Karthaus - die ganze Rückfahrt ein einziger Stau. Nichts ging mehr, ich hab' bald ins Lenkrad gebissen. Wenn das so weiter geht, wird die Kiste verkauft, und ich fahr' Fahrrad", meinte er.

Mein Einwand, er müsste dann aber so einen Anhänger für mich kaufen, wo sonst hinten die Kinder drin sitzen, einen orangefarbenen, zwei Meter hohen Wimpel und einen Aufkleber am Anhänger anbringen mit "Mutti fährt mit", brachte das Fass zum Überlaufen - im wahrsten Sinne des Wortes. "Mir reicht's. Ich fahr' heut' keinen Meter mehr, und deshalb werde ich mir jetzt einen genehmigen", meinte er und verschwand in der Eckkneipe. Mein Abend war herrlich ruhig und gemütlich. Irgendwie hat so ein Verkehrs-Chaos doch auch sein Gutes…

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