1005 Verwarnungen, 305 Anzeigen

Die Unfallzahlen steigen um mehr als sechs Prozent, die Verkehrsmoral sinkt. Polizeipräsident Manfred Bitter und seine Ordnungshüter sind seit April mit ungewöhnlichen Methoden, Tarnung und Konsequenz hinter Verkehrssündern her. Die Bilanz: 1005 Verwarnungen und 305 Anzeigen.

 Polizistin Linda Ehl winkt Sünder aus dem Straßenverkehr. TV-Foto: Jörg Pistorius

Polizistin Linda Ehl winkt Sünder aus dem Straßenverkehr. TV-Foto: Jörg Pistorius

Trier. Ein früher Nachmittag an der Zurmaiener Straße: Wer Linda Ehls rote Kelle sieht, den packt die allen Auto- und Motorradfahrern vertraute Frage. Womit könnten sie mich kriegen? Zu schnell war ich nicht, dafür herrscht viel zu dichter Verkehr. Angeschnallt bin ich auch, mein Auto hat die Tüv-Plakette, ich hatte kein Handy am Ohr. Aber war die Ampel eben wirklich noch gelb? Nein, war sie nicht. Die Gestik der in Höhe der Kabinenbahn postierten Polizistin ist ebenso eindeutig wie die eines Schiedsrichters beim Platzverweis: Ab auf den Parkplatz. Wir müssen reden. Das Gespräch läuft freundlich ab: "Allgemeine Verkehrskontrolle, Führerschein und Papiere bitte." Der junge Fahrer sieht nicht glücklich aus, als Linda Ehl ihm die Situation erklärt: "Ein Kollege in Zivil hat beobachtet, dass Sie bei Rot über die Ampel gefahren sind." Der Fahrer antwortet ruhig, aber leicht unwirsch: "Ja, ich kenne das Spiel." Sollte er auch. Wie sich schnell herausstellt, ist auch er Polizist. Was ihn nicht vor der Anzeige und einem möglichen Fahrverbot schützt.Der unauffällige zivile Beobachter sieht noch andere Dinge, die er dann per Funk an Linda Ehl, Uwe Minnebeck und Oberkommissar Ralf Simon durchgibt. Immer wieder dabei ist der nicht angelegte Gurt, der dem Betroffenen eine Verwarnung einbringt und 30 Euro kostet. Manche Wagen fallen auch durch die allgemeine Kontrolle, ein Kombi hätte im März 2007 beim Tüv antreten müssen. Der Fahrer gibt sich zerknirscht. "Ach Mann, ich hab' halt immer so viel zu tun."16 000 Verkehrs-Verstöße haben die Beamten der Polizeiinspektion Trier 2007 geahndet. "Das reicht", sagte Polizeipräsident Manfred Bitter. Zum selben Schluss kam ein Expertengremium der Polizei, das die Unfallsituation der vergangenen drei Jahre analysiert, Beschwerden von Betroffenen ausgewertet und die Erfahrungen der Beamten bewertet hat. Alle Appelle an Vernunft und Sicherheits-Bewusstsein bringen nicht den gewünschten Erfolg. Deshalb haben im April die Trier-Tage begonnen: Immer an einem bestimmten Tag in der Woche laufen im Stadtgebiet Großkontrollen ab. Der Trier-Tag wechselt ständig, die Uhrzeiten ebenfalls. Die Kontrollen werden nicht angekündigt. Mit dabei sind Beamte der Bereitschaftspolizei und des Verkehrsüberwachungstrupps der Polizeidirektion Trier. Und sehr oft stehen die Experten nicht an derart offensichtlichen Stellen wie dem Moselufer. Manchmal postieren sie sich dort, wo wirklich niemand mit ihnen rechnet.So wie dieses Mal. Die Bernhardstraße in Trier-Süd gehört zu den Durchfahrt-verboten-Straßen. Die Einschränkung "Nur für Anlieger" provoziert oft den Irrglauben, das Durchfahren der Straße an sich wäre bereits ein Anliegen, der Fahrer dementsprechend automatisch ein Anlieger. Dem ist nicht so, wie an diesem Nachmittag 61 Fahrer innerhalb von zwei Stunden lernen müssen, als sie Linda Ehls rote Kelle sehen.Die Trier-Tage gehen weiter. Die Zielpersonen sind übrigens nicht nur motorisierte Verkehrsteilnehmer. Auch Radfahrer, die über Gehwege brettern oder Fußgängerampeln ignorieren, auch Passanten, die ihre grüne Ampel nicht abwarten können und schon früher lossprinten, müssen sich vorsehen. "Diese Kontrollen sind zeitlich nicht begrenzt und können über Jahre laufen", sagt Karl-Peter Jochem, Verkehrs-Experte der Polizei-Inspektion Trier. "Wir hoffen, dass die Leute es irgendwann mal merken." Viele haben es bereits gemerkt. Die Bilanz allein im Mai: 143 Verwarnungen, 63 Anzeigen.

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