131 Stufen in 28 Sekunden

TRIER. Es existieren Berufe, von denen man nicht glaubt, dass es sie gibt. Aber Stefan Minten aus Bonn verdient sich seine Brötchen als weltweit einziger Profi-Treppenläufer. Ob in New York, Kuala Lumpur, Luxemburg: Minten läuft überall. Selbst in Trier.

Eigentlich ist an der Kasse Feierabend angesagt. Doch am Fuße der 131 Stufen im Innern der Porta Nigra nestelt ein 37-jähriger junger Mann, Nickelbrille im Gesicht, an seinen Laufschuhen. Unscheinbar wirkt er, angereist ist er mit einem klapprigen Drahtesel. Schnell noch das Trikot mit den regionalen Sponsoren übergestreift, und dann geht, nein, rennt er los: Nach nur 28 Sekunden ist Stefan Minten völlig außer Puste hoch oben im dritten Stockwerk des römischen Weltkulturerbes angekommen. Keine Bestzeit: "Drei Sekunden weniger wäre ideal gewesen. Aber ich habe zu spät bemerkt, dass nach dem zweiten Stockwerk noch nicht Schluss mit der Treppe war." Normale Schrittgeschwindigkeit vorausgesetzt, brauche man einige Minuten, um die Porta zu besteigen, sagt ein Mitarbeiter an der Eintrittskasse. Und hier ist jemand in nicht einmal einer halben Minute hochgerannt und sieht noch "Optimierungsbedarf". Treppenlaufen, man kennt es aus Fitness-Ratgebern, ist keine Macke weniger exzentrischer Sportler: Etwa zwei Millionen Menschen, sagt Minten, nehmen weltweit an den 400 Veranstaltungen dieser Art pro Jahr teil. In Südostasien würden solche Läufe gar live im Fernsehen übertragen - selbstredend, dass Minten auch dort teilnahm und prompt zum Abendessen beim malaysischen Sportminister eingeladen wurde. Auch die Trierer Region hat ihren eigenen traditionellen Stufenparcours: die Himmelsleiter hoch zur Mariensäule. Minten hat auch an diesem Lauf teilgenommen. Platz 42 nur, aber anders als seine Sportkollegen lebt der Bonner von seinen Läufen. 2001 ließ er sich freiwillig ohne Lohn und Rentenanspruch von seinem Arbeitgeber, dem Bundeswirtschaftsministerium, auf fünf Jahre beurlauben. "Wahrscheinlich bin ich die erste Ich-AG auf sportlicher Basis." Seine Profession führt den Sportler dank etlicher Sponsoren rund um die Welt. Auch in Trier versäumt er es nicht, sich das alte Stadttor nach dem Sprint genau anzuschauen. Auf dem Vorplatz bittet er dann um ein Erinnerungsbild. Eine Schülergruppe muss weichen, aus deren Reihen schallt es herüber: "Wer ist das?" Die Antwort könnten die Jugendlichen vom Trikot ablesen. Minten finanziert sich über Sachspender - 620 sollen es sein, da wird es auf dem T-Shirt auch mal eng mit den Werbeaufdrucken. Reich werde man dabei nicht. "Aber man betrachtet die Welt mit anderen Augen", sagt Minten, der sich keineswegs als Weltverbesserer sieht. Er sei froh, verschiedene Kulturen kennen zu lernen. Und so läuft Minten mit Klapprad oder Prominenten Türme wie das New Yorker Empire State Building hoch, schüttelt Hände von Ministern und Stars und lernt nebenbei die Sehenswürdigkeiten dieses Planeten kennen. Auch den Papst habe er aus nächster Nähe beim Weltjugendtag in Köln erleben dürfen. Der Dauerläufer konnte es sich nicht verkneifen, dessen Kardinäle gleich anzusprechen: "Mein Wunsch ist es, einmal den Vatikan hochzulaufen." Seine Anfrage wird zurzeit bearbeitet.

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