1400 Besucher aus einer anderen Welt

TRIER/WEIMAR. Kein klassisch "rundes", aber allemale ein denkwürdiges Jubiläum: Vor 15 Jahren, im Advent 1989, besuchten an zwei Wochenenden rund 1400 Weimarer die Partnerstadt Trier. Die nach dem Mauerfall kurzfristig organisierte Bus-Aktion "Herzlich willkommen, Weimar" schrieb ein aufwühlendes Kapitel Trierer Stadtgeschichte.

Rund 430 Kilometer liegen zwischen Trier und Weimar. Heutzutage eine Sache von vier Autostunden. Bis Herbst 1989 schien es so, als lägen beide Städte auf unterschiedlichen Planeten. Der "Eiserne Vorhang" teilte Deutschland in Bundesrepublik und DDR. Der Fall der Mauer am 9. November 1989 brachte eine bizarre Situation: Europas bestgesicherte Grenze plötzlich durchlässig und ohne Visum und strenge Kontrollen passierbar. Das ließ in beiden Städten die Träume blühen und Ideen sprießen. Seit 1987 pflegten Trier und Weimar eine Städtepartnerschaft, die sich zunächst auf einen Austausch von Funktionären und handverlesenen Künstlern beschränkte. "Das war keine Partnerschaft in unserem Sinne", erinnert sich Helmut Schröer, seit 1. April 1989 Oberbürgermeister von Trier. Als die Mauer fiel, erlebte die deutsch-deutsche Partnerschaft ihre erste Bewährungsprobe - und bestand sie mit Bravour. Bereits am Abend des 14. Novembers war die Trierer Gangolfskirche - parallel zur Weimarer Dienstagsdemo - Schauplatz eines von Stadtvorstand und Stadtrat organisierten, beeindruckenden ökumenischen Gottesdienstes. Motto: "Solidarität mit den Menschen in Weimar." An jenem Abend sprach Triers OB eine Einladung an Weimarer Bürger aus, ihrer Partnerstadt an der Mosel einen Wochenend-Besuch abzustatten. Schröer: "Wir wussten, das würde ein logistischer und organisatorischer Kraftakt werden. Aber in solch einer Situation darf man nicht lange überlegen." Motto: "Augen auf und durch." Sonst hätte man das Unterfangen gleich wieder abblasen müssen. Mit "etwa 300 Weimarern" rechneten die Organisatoren im Trierer Rathaus, tatsächlich aber meldeten sich 6000 Interessierte in der Anlaufstelle, dem Antiquariat Andreas Kossmann am Weimarer Markt. 600 von ihnen nahmen am 24. November 1989 an einem historischen Treck nach Westen teil. Mit Weimarer Bussen fuhren sie zunächst zum Grenzübergang Herleshausen. Ab dort ging es mit zwölf Reisebussen Trierer Unternehmen weiter. Während der Fahrt füllten die Gäste Karten mit Angaben zu Alter, Beruf und Hobbies aus, die, bei einem Zwischenstopp eingesammelt, per OB-Dienstwagen nach Trier vorausgeschickt wurden. Bis zum Eintreffen der Busse werteten Rathaus-Mitarbeiter die Karten aus und ordneten die Besucher Trierer Gastgebern zu: Handwerker zu Handwerkern, Krankenschwestern zu Krankenschwestern, Rentner zu Rentnern. Was dann geschah, wird Schröer "nie wieder vergessen. Wir hatten eine Stadtratssitzung, und plötzlich hieß es: Sie kommen! Wir stürmten raus auf den Augustinerhof - und erlebten, was echte Städtepartnerschaft ist." Hunderte Trierer trafen auf hunderte ihnen unbekannte Weimarer. Alle Gäste fanden Aufnahme bei Privatleuten - die Stadtverwaltung musste nicht auf die Zimmer zurückgreifen, die Hotels zur Verfügung gestellt hätten. "Damals entstanden Freundschaften, die heute noch bestehen", resümiert Schröer. Ebenso herzlich ging es eine Woche später (1. bis 3. Dezember) zu, als mehr als 800 Weimarer im Zuge der zweiten Bus-Tour in die Partnerstadt kamen. Schröer: "Es waren Begegnungen voller Herzlichkeit, Aufgeschlossenheit und Offenheit. Eine überwältigende Erfahrung." Die Zeitzeugen aus beiden Städten werden nicht widersprechen.

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