1560 Handgriffe zum Genuss

Sterneküche, Spitzensekt und das Ambiente des Kurfürstlichen Palais machten das "Schäumende Rokoko" am Samstag zu einem Erlebnis. Zum neunten Mal eröffnete die Stehparty das Wein- und Gourmetfestival, das noch bis zum 13. Mai dauert.

 Der letzte Gang: Patrick Jenal, Koch im Sternerestaurant Kund in St. Wendel, bereitet das Dessert beim Schäumenden Rokoko 2007. TV-Foto: Christiane Wolff

Der letzte Gang: Patrick Jenal, Koch im Sternerestaurant Kund in St. Wendel, bereitet das Dessert beim Schäumenden Rokoko 2007. TV-Foto: Christiane Wolff

Trier. Samstagabend, 18.30 Uhr. Barfüßige Studentinnen und junge Familien genießen im Palastgarten die warmen Sonnenstrahlen. Wer Anzug, Schlips und Kragen oder ein langes Abendkleid trägt, wirkt deplatziert in der sommerlichen Szene. Die sich fein gemacht haben, sind gekommen, um im Kurfürstlichen Palais Spitzensekt und Sterneküche zu genießen. Zum neunten Mal präsentieren die Besten der Region aus beiden Branchen beim "Schäumenden Rokoko" im Palais ihr Können.19 Uhr. Während die 250 Gäste beim Sektempfang imVorhof des Palais den ersten Small-Talk halten, herrscht im im Innenhof eifriger Betrieb: Vier Koch-Auszubildende stellen im Küchenzelt 260 Teller auf lange Tischen bereit. "Wir richten zehn Teller mehr - manche nehmen nämlich auch gerne zwei Mal", sagt Sterne-Koch Wolfgang Becker aus Trier-Olewig. Eins der Amuse-Gueulles, die Vorspeise und das Dessert stammen aus seiner Küche. Die weiße und rote Tomatenmousse mit Basilikum auf einem Parmesankeks hat er zu Hause vorbereitet. Jetzt richten die insgesamt zwölf Köche und Auszubildenden das Törtchen zusammen mit den "Küchengrüßen" der Sterneköche Alexander Kunz aus St. Wendel und Alexander Oos aus Trittenheim an.19.30 Uhr. Die elf Kellnerinnen stellen sich - zwei oder drei Teller in Händen - im Küchenzelt in einer langen Reihe auf. Auf Kommando des Oberkellners geht's los, über die große Treppe in den ersten Stock hinauf. Einige der Gäste, denen sie die Teller reichen, haben offensichtlich schon mehrere der 15 Sekte, die acht Spitzenkellereien der Mosel anbieten, probiert. Sich mit beladenen Tellern an den Grüppchen vorbeizudrängen, ist keine einfache Aufgabe.Auch die Gäste haben es nicht leicht, denn zu den Amuse wird kein Besteck gereicht. Und während schon die weiche Tomatenmousse nur schwierig zwischen Daumen und Zeigefinger vornehm gen Mund geführt werden kann, ist das beim fein gestiftelten Kohlrabisalat schier unmöglich.Doch die Finger zu Hilfe zu nehmen und den Teller einhändig auszubalancieren gehören beim Schäumenden Rokoko zum Programm. Denn Stühle und Tische gibt es nicht. Alles passiert im Stehen. So bleibt die Sache im Fluss, immer wieder finden sich neue Grüppchen zusammen, zur Gänseleber an der Balustrade, zum Elbling Crémant brut auf dem Balkon.20.30 Uhr. Während durch die geöffneten Fenster vom Palastgarten rauchig-fetter Grillgeruch ins Palais' strömt, richten die Köche den Zwischengang: Der erste reicht den Teller an, der zweite lässt sämiges Karottencoulis durch einen Trichter auf den Teller laufen, der dritte sticht mit einem Löffel Nocken aus dem Kartoffel-Wasabi-Püree, der vierte schichtet die Thunfischröllchen darauf, der fünfte wischt Soßenreste vom Tellerrand, der sechste legt die Gabel bei. Sechs Arbeitsgänge pro Teller machen bei 260 Portionen 1560 Handgriffe. Rund 17 Minuten sind die beiden Sechser-Teams damit beschäftigt. Sobald zwei Teller fertig sind, flitzen die Kellnerinnen los. "Das Schwierigste ist, dass das Essen warm zu den Gästen kommt", erklärt Patrick Jenal, Koch im St. Wendeler Restaurant Kunz. "Schon der Luftzug hier im Zelt kühlt aus, dann noch der lange Gang durch's Treppenhaus. Im Restaurant sind die fertigen Teller in höchstens 20 Sekunden beim Gast, hier dauert's bis zu drei Minuten."23 Uhr: Geschafft

22 Uhr: Die Gäste merken von der Hektik in der Küche nichts. Das 24 Stunden lang geschmorte Schulterstück vom Simmentahler Rind zerfällt zart unter der Gabel. Im Glas perlt der Riesling-Sekt des Weinguts Bläsius-Geiben aus Longuich.23 Uhr. Geschafft. Das Dessert - Panna Cotta mit Himbeeren und gebackene Mango im Knuspermantel - ist raus. Die Kellnerinnen laufen treppauf, treppab und räumen Teller und Gläser ab. Die Gäste sind beim Espresso angekommen. Einige haben sich ein Plätzchen auf der Mauer des Außenhofes gesucht. Swing-Musik dringt durch die Schlossfenster nach draußen und lässt das Frühlingsfest bei sommerlichen Nachttemperaturen ausklingen.

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