Überraschungs-Ei zwischen Aktendeckeln

Mit gemischten Gefühlen, aber in der Tendenz positiv, reagieren die Stadtrats-Fraktionen auf den am Dienstagabend von Oberbürgermeister Klaus Jensen präsentierten Haushalt 2009. Das Zahlenwerk ist der für Trier erste Etat, der nach dem Prinzip der Doppik (doppelte kaufmännische Buchführung) aufgestellt wurde.

Trier. Für die Stadtratsmitglieder hat der Haushaltsentwurf für 2009 so eine Art "Überraschungs-Ei-Effekt": Man weiß vorher nicht, was drin ist. Das wussten die Volksvertreter auch gestern noch nicht so recht, denn keiner hatte über Nacht sein persönliches Exemplar des 3,8 Kilo schweren Wälzers, dessen 1271 Seiten gerade noch so in einen Aktenordner passen, durchackern können. Zudem kommt die mangelnde Erfahrung mit Doppik-Haushalten, die sich völlig anders darstellen als die bislang üblichen Vermögens- und Verwaltungshaushalte.

Also dient vor der Intensiv-Lektüre und den fraktionsinternen Beratungen vor allem die 75-minütige Rede, in der OB Jensen am Dienstagabend die Eckpunkte aufgezeigt hat, als erste Bewertungsgrundlage. Der TV sprach am Mittwoch mit den Haushalts-Experten der fünf Fraktionen.

CDU-Fraktionschef Bertrand Adams verspürt gemischte Gefühle: "Wir finden uns mit unseren Wünschen durchaus im Etat wieder: FSG als G8-Gymnasium, erster Bauabschnitt Handwerkerpark, die Verbreiterung der B 51 an der Napoleonbrücke - alles ausdrücklich von uns gewollt." Dennoch bereitet ihm der Plan-Entwurf "leichtes Bauchweh: Die 48 Millionen Euro Gewerbesteuer halte ich für zu hoch angesetzt. Ich fürchte, das Defizit wird deutlich größer ausfallen als 55 Millionen Euro." Ergo: Man könne dem Braten nicht vorbehaltlos trauen.

Der erste Eindruck des SPD-Vormanns Friedel Jaeger ist positiv: "Investitionen in Schulen und erkennbare finanzielle Bemühungen, die lange Zeit vernachlässigte Entwicklung der Stadtteile jenseits der City voranzutreiben - das sind sicher die richtigen Akzente, die wir mit dem wenigen Geld setzen können, das uns zur Verfügung steht. Gäbe es mehr finanziellen Spielraum, würden wir darauf drängen, die Erreichbarkeit Triers mit öffentlichen Verkehrsmitteln schnellstmöglich weiter zu verbessern."

Uschi Britz, die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen im Stadtrat, spricht von "einigen Schwerpunkten, die uns gut gefallen. Mehr Energie-Effizienz und damit Klimaschutz, Investitionen ins Radwege-Netz, Weiterentwicklung des Bus- und Regionalbahn-Angebots - das sieht auf den ersten Blick sehr gut aus. Aber mich persönlich entsetzt, dass wir 2009 rund 20 Millionen Euro an Zinsen bezahlen müssen. Damit rückt eine Haushalts-Konsolidierung in ganz weite Ferne."

Der UBM-Fraktionsvorsitzende Manfred Maximini äußert Kritik und Lob: "Wichtige Projekte wie die Umgehung Zewen, die Anbindung des Aveler Tals an die Metternichstraße oder der Moselbahn-Durchbruch sind auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Das widerspricht ganz eklatant dem, was in den Bürgergutachten steht. Aber es gibt auch einen Lichtblick: Angesichts von 66 Millionen Ausgaben für Personal und Pensionen ist es richtig, das der Oberbürgermeister endlich Klartext spricht, wenn er sagt, der Mitarbeiterstamm der Verwaltung müsse reduziert werden. Das ist wenigstens einmal eine kleine Perspektive, wie wir aus der Schuldenfalle herauskommen können."

In diesem Sinne äußert sich auch Thomas Egger, der Chef der Stadtrats-FDP: "Die Personalkosten drücken ungeheuer. Das zeigt der erste doppische Haushalt in aller Schonungslosigkeit ebenso auf wie die ungeheure Zinslast, die auf uns drückt. Insofern hat das neue Haushaltssystem seine Vorteile. Leider gibt uns niemand einen Hinweis darauf, wie das alles weitergehen soll. Unseres Erachtens gehört die Personalstruktur der Stadtverwaltung auf den Prüfstand. Positiv finde ich, dass OB Jensen eine Erhöhung der Gewerbesteuer ablehnt. Ich glaube, wir müssten eher noch darüber nachdenken, sie zu senken, damit in unserer Stadt Spielräume für Investitionen entstehen.

Fotos (5): Roland Morgen

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