5600 Euro Schulden pro Trierer

Dass die Stadt Trier unter chronischem Geldmangel leidet, ist nichts Neues. Aber bislang zog man den Kopf immer wieder aus der Schlinge. Nun sind die Spielräume so eng geworden, dass es ohne drastische strukturelle Sparmaßnahmen nicht mehr geht.

Trier. Nicht, dass es an Warnungen gefehlt hätte: Schon im Genehmigungsbescheid für den Haushaltsplan 2008 hatte die ADD vor gut einem Jahr auf "sehr optimistische Schätzungen" in der Trierer Etat-Planung hingewiesen und die Genehmigung nur "ausnahmsweise und aus Opportunitätsgründen" anlässlich der ohnehin komplizierten Einführung des neuen Rechnungswesens "Doppik" erteilt.

Mit dem Langmut der Aufsichtsbehörde scheint es nun endgültig vorbei. An die Genehmigung des Nachtragshaushalts 2009 knüpft man beinharte Bedingungen, wie aus einem Schreiben hervorgeht, das dem TV vorliegt: Die Stadt soll "nachvollziehbar aufzeigen", wie sie die Schulden-Explosion bremsen will.

Dabei stellt die ADD sogar die bereits beschlossenen Investitionen in Frage: "Ich erwarte", teilt der zuständige Fachbeamte in klarer Tonart mit, dass die Stadt die genehmigten Investitions-Kredite "nicht in voller Höhe in Anspruch nimmt". Und dann wird indirekt nahegelegt, über eine "Haushaltssperre" nachzudenken.

Das würde bedeuten, dass zunächst nur noch vertragliche Pflichten und unabweisbare Aufgaben bedient werden und jede weitere Ausgabe einzeln beraten werden muss. Frei werdende Stellen würden nicht mehr besetzt, dazu käme eventuell eine pauschale Ausgabenkürzung für alle Dezernate. Kommunale Selbstverwaltung sieht anders aus.

Oberbürgermeister Klaus Jensen hat im TV-Interview deutlich gemacht, dass er eine solche Maßnahme für "Unsinn" hält. Aber angesichts der ADD-Berechnungen über die Trierer Haushaltsentwicklung in den nächsten Jahren wird er dann überzeugende Alternativen anbieten müssen.

Voraussagen lassen Alarmglocken schrillen



Denn die Rahmendaten der Kommunalaufsicht lassen alle Alarmglocken schrillen. 44 Prozent mehr Schulden für die kommenden vier Jahre haben die Experten errechnet, und das fast ausschließlich bei den "Kassenkrediten", also jenem Geld, das die Stadt "verbraucht" für Personal, Sozialausgaben, Unterhalt und den wachsenden Schuldendienst. Bei den Investitionskrediten, also jenem Geld auf Pump, für das auch langfristige Gegenwerte geschaffen werden, ist alles ausgereizt. Um es mit einem Privathaushalt zu vergleichen: Die Stadt macht ihre Riesen-Schulden nicht mehr fürs Häuschen oder den Neuwagen, sondern für täglichen Lebensunterhalt, Urlaub und Reparaturen. Den "kommunalen Dispo" nennt das anschaulich der Kommunalwissenschaftler Martin Junkernheinrich.

Rechnet man die kommenden Defizite und die Altschulden zusammen, kommt jeder Trierer im Jahr 2012 auf 5573 Euro Schuldenlast. Macht bei einer Familie mit zwei Kindern 22 292 Euro - wohlgemerkt nur im kommunalen Schuldenturm, ohne die Defizite bei Bund und Land.

Das hat den Stadtrat nicht davon abgehalten, noch zum Ende der vergangenenLegislaturperiode etliche millionenschwere Ausgaben zu beschließen, von der Theatersanierung über eine neue Feuerwache bis zur Gesamtschule. In fast allen Programmen zur Kommunalwahl gab es reihenweise teure Wunsch-Projekte, vom Straßen-Ausbau über die Regionalbahn bis zum Petrisberg-Aufstieg. Was daraus wird, steht in den Sternen.

Da tröstet es wenig, dass es den meisten Städten nicht besser geht - zumindest in Rheinland-Pfalz. "Das konnte man seit zehn Jahren kommen sehen, in Mainz und bei den Kommunen, aber man wollte es nicht wahrhaben", sagt Martin Junkernheinrich. Der einstige Trierer und heutige Kaiserslauterner Professor empfiehlt den Städten, "den Weg der Kassenkredite nicht mehr weiter zu gehen" und lieber zu sparen. Es sei im Moment "keine gute Zeit für kostenintensive Projekte".

Meinung

Das Wunder kommt nicht

Jahrzehntelang hat die Politik in Trier nach dem Motto gehandelt: Ein bisschen was geht immer. Für wichtige Investitionen trieb man das Geld mit Fantasie und Geschick irgendwo auf, vorhandene Strukturen wurden nie infrage gestellt, parallel verkaufte man das Tafelsilber, um über die Runden zu kommen - und trotzdem stiegen die Schulden kontinuierlich. Das "Prinzip Hoffnung" war auf bessere Zeiten gerichtet, mehr Geld vom Land, mehr Umverteilung zugunsten der großen Städte. Ein Wunder. Irgendwann. Das Modell war durchaus erfolgreich. Und es wurde von allen politischen Kräften getragen. Das Problem ist nur: Die Geschäftsgrundlage dafür ist weg, und niemand will es zur Kenntnis nehmen. Die chronische Unterfinanzierung wird bleiben, weil der Bund sein Geld zum Abtragen der Krisenbewältigungsschulden braucht, das Land - mit oder ohne Nürburgring - selber pleite ist und die Landkreise fast flächendeckend defizitäre Haushalte haben. Der warme Regen kommt nicht. Basta. Das ewige Schuldenmachen wird bald verfassungswidrig sein, und die Last von Zins und Tilgung quetscht ohnehin jegliche Luft ab. Mit Haushalts-Tricks lässt sich das Debakel allenfalls noch minimal hinauszögern. Nötig wäre eine planvolle, zielgerichtete Haushaltssanierung. Die ist aber ohne "Grausamkeiten" nicht möglich. Man darf gespannt sein, wie mutig der neue Stadtrat ist. d.lintz@volksfreund.de

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