83-jährigen Rentner in Trier-Mariahof überfallen: Einmal Freispruch, einmal neun Jahre Haft

Trier · Der Prozess um den schweren Raubüberfall auf einen Rentner im Trierer Stadtteil Mariahof ist am Montagnachmittag zu Ende gegangen. Einer der beiden Angeklagten ist zu einer neunjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, der zweite Angeklagte wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Trier. Der Prozess ist vorbei, das Urteil gefällt, aber einige Fragen rund um den schweren Raubüberfall am 20. Februar 2015 auf einen Mariahofer Rentner bleiben offen.

Die Vorwürfe: Wegen gemeinschaftlichen schweren Raubs hatte die Staatsanwaltschaft zwei mittlerweile 34- und 41-jährige Männer angeklagt. Einziger harter Beweis gegen den Haupttäter, der den 83-Jährigen in seiner Wohnung fast zu Tode geprügelt haben soll: ein Stück Packpapier mit seinen Fingerabdrücken, das auf einem Rundweg in der Nähe des Tatortes gefunden worden war. Außerdem hatte eine Zeugin nach dem Überfall einen verdächtigen Mann gesehen und beschrieben. Daraus war ein Phantombild entstanden, das dem Angeklagten ähnlich sieht.
Gegen den mitangeklagten 41-Jährigen war die Beweislage noch dürftiger: Seine Telefonnummer war unmittelbar vor und nach der Tat von einem Mobiltelefon angerufen worden. Von demselben Handy war zwei Tage zuvor bei dem Rentner durchgeklingelt worden - wohl eine Art Testanruf, ob jemand zu Hause ist.
Wem das Handy, von dem die Anrufe ausgingen, tatsächlich gehört, konnte allerdings nicht festgestellt werden.
Weiter gab es lediglich recht schwache Indizien: Der angebliche Strippenzieher hat früher als Postzusteller in Mariahof gearbeitet, weshalb er die Adresse des Rentners gekannt haben könnte. Aus einem von der Polizei überwachten Telefongespräch nach der Tat war zudem ansatzweise herauszuhören, dass der Angeklagte mit einem dritten Mann über den Überfall gesprochen hat. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte den 41-jährigen Tatverdächtigen daher, Organisator des Raubüberfalls gewesen zu sein.

Die Angeklagten: Der angebliche Strippenzieher, der mit seiner Familie seit langem in Trier wohnt, war bis zur Verhaftung als Kaufhausdetektiv tätig und ist nicht vorbestraft. Der Haupttäter war erst kurz vor der Tat als Flüchtling aus Tschetschenien nach Trier gekommen und mehrfach vorbestraft. Die Angeklagten hatten vor der Tat wohl Kontakt zueinander, weil der Trierer - ebenfalls gebürtiger Tschetschene - seinen Landsleuten, die in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der Dasbachstraße wohnten, bereits häufiger geholfen hat, sich in Deutschland zurechtzufinden.
Beide Männer äußerten sich in der Hauptverhandlung nicht zu den Vorwürfen.

Das Urteil: Der angeklagte Trierer sei zwar "nach wie vor dringend tatverdächtig", betonte Richterin Petra Schmitz am Montag bei der Urteilsverkündung. Allerdings gebe es Zweifel an seiner Schuld. Der Angeklagte müsse daher freigesprochen werden. Rechtsanwältin Anne Bosch, die den 41-Jährigen verteidigte, hatte zuvor in ihrem Plädoyer erklärt, dass die Staatsanwaltschaft "ohne objektive Anhaltspunkte" von einer Schuld ihres Mandanten ausgegangen sei. Bosch betonte, dass der verständliche Wunsch, jemanden für die schlimme Tat büßen zu lassen, bei der Interpretation der Fakten nicht überhand gewinnen dürfe.
Von der Schuld des Haupttäters war das Gericht dagegen überzeugt: "Es gibt sonst keine Erklärung für den Fingerabdruck auf dem Packpapier, das in unmittelbarer Tatnähe gefunden wurde", sagte Schmitz. Die Kammer verurteilte den 34-Jährigen zu neun Jahren Haft.

Offene Fragen: Die Polizei hatte Fußabdrücke und DNS-Spuren von einer dritten Person am Tatort festgestellt. Wer der oder die Unbekannte ist, konnte bislang allerdings nicht ermittelt werden. Was der oder die Täter erbeutet haben, ist ebenfalls unbekannt: Die Geldsumme wurde von der Staatsanwaltschaft geschätzt. Auch über den angeblich gestohlenen Schmuck gibt es nur vage Angaben. Gefunden wurde bei den Angeklagten weder Bargeld noch Schmuck.

Die Reaktion: Der Anwalt des Verurteilten hat angekündigt, Revision einlegen zu wollen. Die Beweise gegen seinen Mandanten seien nicht ausreichend, erklärte Rechtsanwalt Christian Hölzer. Staatsanwalt Wolfgang Barrot hatte gestern noch nicht entschieden, ob er gegen das Urteil vorgehen will oder nicht.

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