Abbruchbude ist längst passé

TRIER. Einst wurde er skeptisch beäugt und als "Abtreibungsverein" verleumdet. Nun ist er angesehen, als Beratungsstelle etabliert und sehr gefragt: Der Trierer Ortsverband von Pro Familia besteht seit 25 Jahren.

Das fröhliche "Plopp" entkorkter Sektflaschen war neben wiederholten Glückwünschen und angeregten Gesprächen eines der prägnanten Geräusche in der Kochstraße 4. Dort feierte Pro Familia seinen 25. Geburtstag mit Besuchern und geladenen Gästen aus Politik und Verwaltung, die mit Anerkennungsreden nicht sparten. Eine derart aufgeräumte Stimmung in freundlich möblierten Räumen ist, wenn man die Anfänge der Beratungsstelle bedenkt, nur dem zähen Durchhalten des Vereins und seiner Förderer sowie dem gesellschaftlichen Wandel zu verdanken."Als Abtreibungsverein verleumdet"

Der erste Standort der Trierer Pro Familia- Beratungsstelle war zwar "1a", aber alles andere als exklusiv. "Die Walramsneustraße 1a, unsere erste Adresse im Jahr 1979, war ein Abbruchhaus", erinnert sich Heidemarie Martin. Genauso wie Gunda Röll ist sie eine der Frauen der ersten Stunde bei Pro Familia. Nachdem 1978 der Verein entstand - Mitgründerinnen waren Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) - ging es auf die Suche nach einem geeigneten Domizil. Die Stadt bot gegen eine geringe Miete das besagte Abbruchhaus an. "Es war ein deprimierender Eindruck, wenn man dorthin kam", sagt Martin. Düster war nicht nur die Atmosphäre, sondern wohl auch die Beziehung zwischen der Stadt und der neuen, von Anfang an anerkannten Schwangeren-Beratungsstelle. "Wir trafen auf erhebliche Widerstände, freiwillige Mittel flossen keine, und man verleumdete uns als Abtreibungsverein", erzählt Martin. Von Beginn an legte Pro Familia den Schwerpunkt auf Jugendarbeit und Sexualpädagogik, um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden. Die damaligen politischen Vorbehalte seien so weit gegangen, dass die erste Vorsitzende dem Druck nicht Stand gehalten habe und nach einem Jahr das Handtuch warf. Als neuer Vereinsvorsitzender konnte der evangelische Pfarrer Wolfgang Wallrich gewonnen werde. "Mit einem Mann der Kirche an der Spitze unseres Vereins wurde uns gegenüber der Ton fortan gemäßigter", schmunzeln die Frauen. Hart kalkulieren muss Pro Familia noch heute: Zuschüsse von Stadt und Land, Spenden, minimale freiwillige Zuschüsse und geringe Eigenmittel sichern den Fortbestand der Einrichtung von Jahr zu Jahr. Aber die Personalentwicklung zeigt nach oben - seit drei Jahren hat die Einrichtung die Vollzeit-Leiterin Claudia Heltemes. Sie hofft, auch in Zukunft Bewerber für die Posten im arbeitsintensiven Vereinsvorstand zu finden. Heute ist die überkonfessionelle Beratungsstelle längst anerkannt, das breit gefächerte Beratungs- und Hilfsangebot in der Bevölkerung fast selbstverständlich. Die sexualpädagogische Arbeit werde von Schulen mittlerweile so stark nachgefragt, dass sich Pro Familia schon fast "überrannt" sehe, meint Heltemes. Und es gibt Zukunftsprojekte: Ab nächstem Jahr soll eine Online-Beratung angeboten werden. Zusätzlich werden die Themen Sexualität und Alter, Sexualität und Behinderung und die Beratung von bikulturellen Paaren aufgegriffen. Pro Familia, Telefon 0651/22660; www.profamilia-trier.de

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