Abfuhr für Paulinuscenter

TRIER. Der Auftakt wurde mit Spannung erwartet, und er geriet stellenweise zum Tribunal: Der neue Architektur- und Städtebaubeirat ließ an großen und kleineren Projekten kaum ein gutes Haar.

"Wir kommen von außen und haben den fremden Blick": So umriss der Beirats-Sprecher Peter Kulka den Ausgangspunkt der Arbeit des Gremiums. Es gehe darum, "lebenswerte Räume für die Menschen zu schaffen". Dafür wolle man gegebenenfalls auch streiten, denn "ohne Auseinandersetzung entsteht kein Prozess". Wie ernst die Sache mit dem Streiten gemeint war, konnten die 25 Zuschauer der öffentlichen Beratung - viele vom Fach - anschließend miterleben. Die aus Düsseldorf angereisten Paulinuscenter-Architekten mussten fassungslos miterleben, wie ihre Planung durch den Wolf gedreht wurde. Investor Trigon war erst gar nicht mit einem eigenen Vertreter erschienen, was Beiratsmitglied François Valentiny als "unerträglich" qualifizierte. Mit der eigentlich auf der Tagesordnung stehenden Fassadengestaltung mochten sich die Experten gar nicht erst befassen - sie zielten aufs Grundsätzliche. Zentrale Kritik an der Planung: Sie setze ausschließlich kommerzielle Interessen um und berücksichtige städtebauliche Belange zu wenig. "Sie nehmen der Stadt viel mehr weg als sie ihr geben", formulierte Valentiny. Dann wurde der Beirat deutlich. Dass das Kellergeschoss des Gebäudekomplexes (Gesamtvolumen: 15 000 Quadratmeter Verkaufsfläche) für den Verkauf genutzt werden soll, das Erdgeschoss im Bereich des alten City-Parkhauses aber als Anlieferungsfläche, sei eine "planerische Krebsgeschwulst". Die komplette Abschottung zur Zuckerbergstraße sei "abartig" und führe zu einer "Brache in der Stadt". Die vorgesehene Anbindung des neuen City-Parkhauses durch eine Fußgängerbrücke werde sich als "Todesschuss für die umliegenden Geschäfte und Häuser erweisen".Kritiker fühlen sich bestätigt

Da schaute mancher im Zuschauerraum ungläubig in die Runde. Nur der grüne Bau-Experte Dominik Heinrich blickte drein wie eine Katze, die in den Sahnetopf gefallen ist, schlossen sich die Professoren aus Köln, Darmstadt und Luxemburg doch ohne jede Einschränkung der vielfach geäußerten Grünen-Kritik an. Auch Gerhard Freising, Vorsitzender des früheren, weit weniger einflussreichen Architekturbeirats, durfte sich bestätigt fühlen: Sein Gremium hatte schon im letzten Jahr exakt die gleichen Planungs-Schwachpunkte benannt. Die kritisierten Planer hatten wenig gegenzuhalten: Die Vorstellungen des Beirats seien "illusorisch", hieß es, die Interessen des Investors müssten gewahrt bleiben. "Dann sehen sie zu, dass ihre Geldeintreiber beim nächsten Mal mit hier am Tisch sitzen", knurrte François Valentiny. Es gehe dem Beirat nicht um Kritik an den ausführenden Architekten, sondern um die Auseinandersetzung mit dem Bauherrn. Und die wird nun weiter geführt. Bis zur nächsten Sitzung im Oktober erwartet der Beirat eine verbesserte Planung. Die spannende Frage dürfte allerdings sein, was passiert, wenn Beirat und Bauherr sich nicht annähern. Dann, so erläutert Baudezernent Peter Dietze, wären die Entscheidungsgremien des Stadtrates am Brett. Aber Dietze hofft auf Einsicht, schließlich sei der Sinn des neuen Beirates primär die Konsensfindung, nicht der Konflikt. Die Beratung weiterer, kleinerer Bauprojekte konnte daran durchaus Zweifel aufkommen lassen. Zwei Mehrfamilienhaus-Vorhaben in der City und Heiligkreuz sahen sich massiver Kritik eines vor Selbstbewusstsein strotzenden Beirats ausgesetzt. "In diesem Haus möchte ich nicht einmal begraben sein", provozierte Valentiny. Aber die städtische Bauverwaltung habe eine Genehmigung längst in Aussicht gestellt, hielt der Bauherr dagegen. Eisige Stimmung machte sich breit, vor der Tür wurde heftig geschimpft. In drei Monaten wird man sich wiedersehen.

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