Abschied von der "Volksfreundin"

TRIER. (rm.) Trauer um eine engagierte Triererin und Journalisten: Im Alter von 91 Jahren ist Anneliese Woll gestorben. Sie war das erste weibliche Redaktionsmitglied des Trierischen Volksfreunds.

Echte Trierer Originale werden immer rarer. Anneliese Woll hätte für sich in Anspruch nehmen dürfen, eines zu sein. Der Ehrenplatz in der regionalen Mediengeschichte war ihr schon frühzeitig sicher. Im April 1947 hatte die Rathaus-Angestellte bei Verleger Nikolaus Koch (1908-1982) angeheuert, der für den Wiederaufbau des Trierischen Volksfreunds eine Bürokraft suchte. Eine nette Umschreibung für einen Multifunktions-Job. Die waschechte Triererin war Mädchen für alles, musste auf dem Nachkriegs-Schwarzmarkt Bohnenkaffee organisieren und gelegentlich mit den "Herren Redakteuren" zum Holzmachen in den Wald ausrücken. Da auch das Schreiben zu ihren mannigfaltigen Talenten zählte, durfte Anneliese Nicolay, die 1963 Eduard Woll heiratete, ab den späten 50er-Jahren auch in einer der damals noch letzten (lokalen) Männerdomänen ihren Mann stehen: als Journalistin. Auch wenn es einige Jahre dauerte, bis sie dank Qualität und weiblicher Beharrlichkeit den Standardsatz "Wir begrüßen auch die Herren von der Presse" aus dem Vokabular von Veranstaltungsrednern verbannt hatte: Anneliese Nicolay/Woll avancierte zu einer allseits geschätzten und beliebten Redakteurin. In ihren Leib-und-Magen-Themen lokale Kultur, Vereine, Volkshochschule und Kirche verkörperte sie, wie es heute so schön heißt, "Kernkompetenz". Ihren Spezialdisziplinen Karneval und trierisches Brauchtum blieb sie auch lange nach ihrer Pensionierung am 30. Juni 1975 als freie TV-Mitarbeiterin treu. Nicht zu vergessen die Binnenwirkung der personifizierten "Volksfreundin": Verleger Koch (Markenzeichen: rustikaler Charme, aufbrausendes Temperament) pflegte gerne und oft die Wände wackeln zu lassen. Einzig die "Mutter der Kompanie" vermochte einen besänftigenden Einfluss auf ihn auszuüben und den Haussegen wieder herzustellen. Ihren letzten Lebensabschnitt verbrachte Anneliese Woll, die zuvor in Heiligkreuz gewohnt hat, in der Residenz am Zuckerberg. "Sie war bis zum Schluss so, wie wir sie kannten und liebten: Bescheiden und stets gut gelaunt", berichten Angehörige. Anneliese Woll wird heute im kleinen Familienkreis auf dem Hauptfriedhof beigesetzt.

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