Ackern mit dem Spezialisten für Kohl

OLEWIG. Junge Mädchen von den Bauernhöfen der Region wurden in der ehemaligen Landfrauenschule zu Hauswirtschaftlerinnen ausgebildet. Heute befindet sich in dem nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebauten Gebäude die Tagespflege des "Club Aktiv".

Melken, Kochen und Brot backen zählten zu den einstigen Aufgaben der heutigen Großmuttergeneration. Eine ganze Generation von Mädchen aus der Region bekam 1929 mit der Eröffnung einer neuen Schule für Hauswirtschaft, der Landfrauenschule, die Möglichkeit, in Theorie und Praxis die neuesten, den Eltern unbekannten Methoden zu lernen. Olewig wurde als Standort der neuen Landfrauenschule gewählt, weil in dem am Stadtrand gelegenen ehemaligen Dorf noch Gelände für die Schulgärten und Stallungen angekauft werden konnte.Nachmittags Schürzen umbinden

"1929 gab es eine Aufwärtsbewegung in der Landwirtschaft. Hinzu kam später noch das Ziel der Ernährungssicherung und die Autarkiebestrebungen der Nationalsozialisten", erklärt Karl-Heinz Faas, Leiter der Landes- Lehr- und Versuchsanstalt von 1968 bis 1990, warum die in der Region einmalige Schule gegründet wurde. Auf dem Stundenplan standen vormittags Lesen, Schreiben, Rechnen und Chemie. Mittags banden die Schülerinnen die Schürzen um und bereiteten ihr Mittagessen nach den neuen Erkenntnissen für gesunde Ernährung selbst zu. Nachmittags ging es zum praktischen Lehrgang in den Weinberg oder auf das Gemüsefeld. "Einer unserer Lehrer war Spezialist für Kohlgemüse", erinnert sich Rosa Mehn. Sie kam als 17-Jährige aus Wintrich an der Mosel, wo ihre Eltern Landwirtschaft und Weinbau betrieben, auf die neu gegründete Schule. Die anderen 24 Schülerinnen aus ihrer Klasse kamen aus Cochem, Detzem, Temmels, Luxemburg und Bitburg. Mit zehn Mädchen teilte sie einen Schlafsaal. "Die Schulleiterin war eine strenge, preußisch erzogene Dame, aber sie war gerecht." Hinter dem Schulhaus, wo heute die St.-Anna-Straße verläuft, war das Hühnergelände, in dem verschiedene Geflügelarten gezüchtet wurden. Hühner schlachten und zubereiten war eine der Prüfungsaufgaben. Die Schülerinnen lernten außerdem, die "schuleigenen" vier Kühe zu melken. "Einmal wurden wir in eine Trierer Metzgerei geführt. Dort zeigte man uns, wie ein Schwein geschlachtet wird." Doch auch der neuen Zeit war die Schule aufgeschlossen betont die heute 90-Jährige. "Zweimal im Monat kam eine Frau vom Ballett des Stadttheaters und hat mit uns geturnt und getanzt. Dabei waren wir doch steif und ungelenk. Aus einem Modesalon in Trier kam eine Schneiderin und hat uns unterrichtet. So etwas hatten wir in den Dörfern noch nie erlebt." An den schulfreien Samstagen erkundete Rosa Mehn mit einem Bekannten der Familie Trier. "Der junge Student hat mir die Stadt gezeigt. Abends haben wir in dem Lokal ‚In der Muhl' dann einen Porz Viez getrunken. Mit Wehmut schaue ich auf das heutige Gebäude. Die Zeit auf der Landfrauenschule war sehr schön, und ich denke heute noch sehr oft daran." Nur kurz, ein halbes Jahr, dauerten ihre Ausbildung und die unbekümmerte Gemeinschaft mit den anderen Mädchen. Nach der Prüfung musste sie zurück auf den elterlichen Hof. "Dann habe ich geheiratet, und andere Dinge kamen."

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