AfD und Grüne befehden sich im Internet

Trier · Ein Diskussionsabend der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Trier hat Irritationen ausgelöst. Die Stiftung verlagerte die Veranstaltung und schloss die Öffentlichkeit praktisch aus. Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) fühlt sich zu unrecht an den Pranger gestellt.

Vor und nach einem politischen Workshop in Trier schlugen die Wogen hoch. Die Heinrich-Böll-Stiftung Rheinland-Pfalz als Veranstalter steht der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahe.

Die Veranstaltung: "Rechtspopulismus entgegentreten - Austausch über den Umgang mit AfD, Pegida und Co.", lautet der von der Stiftung ausgegebene Titel. Die Einladung ist klar AfD-kritisch formuliert. Die Partei stelle sich als "reaktionäre Kraft" dar. Auszüge: "Sie zeichnet sich durch Antifeminismus und Emanzipationsfeindlichkeit aus, die angereichert werden mit Parolen gegen Doppelpass, homosexuelle Gleichstellung und der Anerkennung Deutschlands als multikulturell verfasste Einwanderungsgesellschaft."

Der Hintergrund: Eine seit Januar laufende wissenschaftliche Studie der Stiftung setzt sich mit Veröffentlichungen der AfD auseinander. Zwischenergebnisse sollten in Trier vorgestellt und diskutiert werden, dazu Strategien entwickelt werden.

Die Facebook-Einträge: Die Trierer Grünen machten die Veranstaltung im sozialen Netzwerk Facebook bekannt, veränderten allerdings den Titel in: "AfD Watch - Umgang mit den Rechtspopulisten im Trierer Stadtrat". Dazu stellte die Partei ein Bild von sprichwörtlichen Wölfen im Schafspelz. Daraufhin titelte die AfD auf ihrer Facebook-Seite "Wie die Grünen in Trier die Demokratie verhindern" und forderte zur Teilnahme an der Veranstaltung der Stiftung auf. In der Folge gab es etliche Kommentare auf der Grünen-Seite, ohne dass diese moderiert wurden. Unter anderem soll ein Nutzer das verbotene Horst-Wessel-Lied gepostet haben, einst Parteihymne der NSDAP.

Die Verlagerung: "Die extreme Rechte ist auf die Veranstaltung aufmerksam geworden. Da mussten wir an den Schutz der Teilnehmer und Referenten denken", erklärt Alrun Schleiff, Landesgeschäftsführerin der Heinrich-Böll-Stiftung. Konsequenz: Die Grünen löschten die Einladung zum Workshop auf Facebook. Die Stiftung verlagerte die Veranstaltung vom Café Balduin in die Grünen-Geschäftsstelle Jüdemer Straße und gab den neuen Ort nur per Mail angemeldeten Teilnehmern bekannt. 30 kamen und diskutierten - ohne AfD oder andere mögliche Gegner.

Die Kritik der AfD: "Die Grünen diffamieren uns als ,Wölfe im Schafspelz'. Für uns ist ein solches Verhalten mit einem kollegialen Verhältnis im Stadtrat und einem fairen demokratischen Diskurs nicht vereinbar", sagt AfD-Fraktionschef Michael Frisch. "Anstatt über uns zu reden und gegen Andersdenkende zu hetzen, sollten sich die Grünen einem offenen Dialog und Wettstreit der Meinungen stellen."

Die Reaktionen: "Unsere Veranstaltung war von Beginn an als Workshop konzipiert. Eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse ist für Herbst geplant", sagt Alrun Schleiff. Der abgeänderte Workshop-Titel und das Wolfsbild seien mit der Stiftung nicht abgesprochen gewesen. Grünen-Vorstandssprecher Wolf Buchmann: "Vertreter der AfD wären grundsätzlich zugelassen worden. Deren Facebook-Gegenaufruf war allerdings so formuliert, dass es die Veranstaltung gestört hätte." Wer sich wie die AfD Trier zur Bewegung "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands" (Pegida) bekenne, sei selbst rechtspopulistisch. "Statt um Fakten geht es um Hetze und Angstmacherei", sagt Buchmann. "Zu diesen Themen ist dann kein vernünftiger Diskurs möglich. Bei anderen Themen sind hingegen normale Gespräche denkbar." Die Änderung des Workshop-Titels sei bewusst auf die Trierer Situation gemünzt. Die AfD provoziere selbst und stelle sich gerne als Opfer dar. Das Wolfsbild falle unter die Meinungsfreiheit: "Das ist nichts Beleidigendes."Meinung

Kampf mit harten Bandagen
Der Vorgang um den Workshop zur AfD ist ein für Trier bisher einzigartiger, aber auch beispielhafter Fall, etwa für die Dynamik neuer Medien. In der politischen Auseinandersetzung wird teilweise mit harten Bandagen gekämpft - auch auf lokaler Ebene. Dass sich eine parteinahe Stiftung kritisch mit den Äußerungen einer konkurrierenden Partei auseinandersetzt und dabei Vorwürfe erhebt, ist legitim. Ebenso normal ist es, wenn die kritisierte Partei dies in Verbindung mit einem bewusst frechen Bildmotiv als Provokation empfindet, Vorwürfe zurückweist und einen Dialog einfordert. Zuspitzung, Symbole und Wortattacken gehören zum politischen Geschäft. Wo Fairness und ein Mindestmaß an Respekt aufhören und wo Diffamierung anfängt, muss letztlich im konkreten Fall definiert werden. Die AfD kann austeilen und muss auch einstecken können. Die Grünen wollten mit ihren Ergänzungen einen draufsetzen und brachten ihre Stiftung dadurch etwas in die Bredouille. Eine Freundschaft wird sich zwischen beiden Parteien sicher nicht entwickeln. Einen Weg des demokratischen Umgangs miteinander sollten sie finden. m.hormes@volksfreund.de

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