Alle gegen einen

Kurz vor der entscheidenden Phase der Haushaltsberatungen herrscht dicke Luft im Kulturausschuss. FDP, SPD, Grüne und UBM sind sauer auf Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink, weil er sie in die Entscheidung, dass die Antikenfestspiele 2008 im Amphitheater stattfinden, nicht einbezogen hat.

 Ödipus im Kreuzfeuer: Ähnlich wie Hauptdarsteller Michael Marwitz bei den Antikenfestspielen 2007 muss sich derzeit Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink fühlen. Foto: TV-Archiv/Friedemann Vetter

Ödipus im Kreuzfeuer: Ähnlich wie Hauptdarsteller Michael Marwitz bei den Antikenfestspielen 2007 muss sich derzeit Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink fühlen. Foto: TV-Archiv/Friedemann Vetter

Trier. So harsche Töne gab es selten unter den Trierer Kulturpolitikern: "Schlicht unverschämt" nennen die Grünen Holkenbrinks Vorgehen, weil die zusätzlich benötigten 100 000 Euro im zuständigen Ausschuss nie beraten worden seien. "Gutsherrenart, aber keine Demokratie", schimpft Grünen-Sprecher Aaron Braun. Moderater im Ton, aber klar in der Sache der UBM-Vorsitzende Hermann Kleber: Bei der "ewigen Baustelle" Antikenfestspiele lägen die offenen Fragen seit dem Spätsommer auf dem Tisch, aber nichts sei passiert. Kleber zieht nach einem Festspiel-Jahrzehnt eine fatale Bilanz: "Wir haben kein zukunftssicheres Konzept, keine professionelle Vermarktung, keine geschärfte Marke und keine solide Finanzierung." In eine ähnliche Kerbe schlägt Thomas Egger (FDP): "Die Festspiele sind kulturelles Kapital, aber sie kränkeln, weil es keine Klarheit über das Grundkonzept gibt." Die CDU versucht derweil, zur Entlastung ihres Dezernenten den OB und das Land mit ins Boot zu holen. Die Festspiele müssten Chefsache sein, sagt Fraktionsboss Berti Adams. Das seien "Nebelkerzen", hält sein SPD-Widersacher Friedel Jäger dagegen. Das Land zahle eh die Hälfte, und OB Jensen habe längst die Initiative ergriffen "und in der Frage des Spielortes entschieden", weil Holkenbrink "seine Aufgaben nicht gemacht hat". Das ist freilich eine neue, nicht unspannende Interpretation des Entscheidungsvorgangs in der Verwaltungsspitze.Intendant Gerhard Weber sieht unterdessen nach der Stadtvorstands-Festlegung für den Veranstaltungsort zumindest eine Grundlage, um die dringend anstehenden Verträge für die Saison 2008 unter Dach und Fach zu bringen. Auch der Kartenvorverkauf soll demnächst beginnen, auf der Basis der gelungenen, aber nicht ganz billigen Tribünenlösung des vergangenen Sommers.Was dem Intendanten wichtig wäre, wäre längerfristige Planungs-Sicherheit über mehrere Spielzeiten. Doch wie kommt man aus dem Teufelskreis der chronischen Unterfinanzierung und der permanenten Verspätung heraus? "Das würde ich auch gerne wissen", räumt Thomas Egger ein. Der Liberale hat immerhin eine Idee: Man könnte überlegen, das Römerspektakel "Brot und Spiele" aus dem Budget für Wirtschaftsförderung ("Da gehört es eher hin") zu finanzieren und die freiwerdenden Kulturmittel den Antikenfestspielen zuzuschlagen. Aber konstruktive Denkansätze haben es derzeit schwer angesichts der Missstimmung unter den Kulturpolitikern. Dabei wären sie dringend nötig, denn die Stunde der Wahrheit schlägt bei den Haushaltsberatungen im Dezember nicht nur für die Festspiele, sondern auch für das Theater, die Europäische Akademie und das Stadtmuseum. Auf 670 000 Euro rechnet Hermann Kleber das aktuelle Kultur-Defizit hoch. "Da bin ich mal gespannt, was der Stadtvorstand sich einfallen lässt", sagt der UBM-Mann. Aber er ist auch durchaus selbstkritisch: "Da stehen die ganz großen Grausamkeiten ins Haus, und wir unterhalten uns im Kulturausschuss stundenlang über den Bücherbus." Meinung Nutzlose Schuld-Debatte Ein wenig erinnert die aktuelle Festspiel-Diskussion an den Tarifkonflikt bei der Bahn: Man diskutiert mehr über die Frage, wer an der misslichen Situation schuld ist, als darüber, wie man gemeinsam herauskommt. Wer immer die Entscheidung für das Amphitheater getroffen hat (vielleicht waren es ja zwei): Sie war richtig. Jedes weitere Zuwarten hätte die Festspiele massiv beschädigt. Aber natürlich hätte es nicht so weit kommen dürfen. Das hat fraglos mit der zaghaften und zögerlichen Vorgehensweise des Dezernats zu tun. Aber auch damit, dass sich der zuständige Ausschuss oft auf Nebenkriegsschauplätzen tummelt oder Parteischlachten schlägt, statt die Verwaltung zu drängen, frühzeitig und durchdacht zu planen, und zwar auf der Basis gemeinsam festgelegter Grundlinien. Statt nun wechselseitig den Prügel zu schwingen, sollte man konkrete Absprachen treffen. Etwa, dass im Januar im Ausschuss verbindlich und entlang eines klar strukturierten Konzeptes über die Festspiele (ab) 2009 geredet wird. Sofern es nach dem Realitätsschock der Haushaltsberatungen da noch viel zu reden gibt. d.lintz@volksfreund.de

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