"Alles roger" im Operationssaal

Im Krankenhaus möchte man ebenso wenig, dass etwas schiefgeht, wie im Cockpit eines Flugzeuges. Im Mutterhaus der Boromäerinnen setzt man bei der Gestaltung der Betriebsabläufe auf Rezepte aus der Luftfahrt.

 Beratung aus dem Hintergrund: Dr. Ingo Katter (links) freut sich über die Anregungen von Pilot Hans Härting. TV-Foto: Frank Göbel

Beratung aus dem Hintergrund: Dr. Ingo Katter (links) freut sich über die Anregungen von Pilot Hans Härting. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. "Wir transportieren zwei Milliarden Passagiere im Jahr, doch hat es vergangenes Jahr keine Toten im europäischen Luftverkehr gegeben", erklärt Hans Härting. Für den Österreicher, der als Pilot einer Boeing 737 ständig die Verantwortung für hunderte Menschenleben trägt, ein klarer Beleg dafür, dass es sich lohnt, bewährte Methoden aus der Luftfahrt auch in Krankenhäusern anzuwenden. Als Mitarbeiter der luxemburgischen Assekurisk AG ist er entsprechend im Mutterhaus der Boromäerinnen tätig.

Grundsätzliche Prinzipien seien dabei "Standardisierung und Redundanz". Beides vereint sich in der berühmten Checkliste, die nicht nur der Pilot vor dem Start durchgeht, sondern auch der Chirurg vor der Operation.

"Die Listen gab es vorher auch - aber bestimmte Sachen checken wir jetzt doppelt", erklärt der Anästhesist Ingo Katter, der vom Mutterhaus aus für das Risikomanagement freigestellt ist. "Es gibt auch ein sogenanntes Timeout-Briefing - vor einem Eingriff setzt sich das Team zusammen und bespricht, was besonders ist an einer Operation."

Solche Konferenzen hätten sich im Flugverkehr bewährt, wo eine Crew sich täglich aus neuen, oft unbekannten Mit arbeitern zusammenwürfelt, und man trotzdem reibungslos miteinander arbeiten müsse. Verbesserte Methoden zur lückenlosen Patienten identifikation oder sicheren Unterscheidbarkeit gefährlicher Medikamente gehören ebenfalls zum Maßnahmen paket.

Dabei gab es zunächst eine Analysephase, während der sich Härting und seine Kollegen die Abläufe im Krankenhaus angesehen haben. Dann wurden Verbesserungsvorschläge gemacht.

Um die Mitarbeiter nicht vor den Kopf zu stoßen, wurden sie zunächst in einem Tagesseminar mit der Materie vertraut gemacht: "Dann nehmen sie das auch gut auf", sagt Härting. Denn auch wenn schon mal ein Softwarehersteller aufgefordert werde, eine Fehler provozierende Eingabemaske zu ändern, gehe es meistens eher um eine "nichttechnische Fehlerquelle": den Menschen.

Dass der im Krankenhaus auch mal gestresst oder müde sei, ist wohl keine Neuheit. "Auch ein Pilot macht durchschnittlich zweieinhalb Fehler pro Flug", gibt Härting zu. "Aber unsere Systeme sind genau darauf ausgelegt."

Auch flachere Hierarchien würden angestrebt: "Bei den berühmten Fällen, wo Leuten das gesunde Bein amputiert wird, sind vielleicht zehn Leute im Raum, und einer merkt, dass da ein Fehler passiert, traut sich aber nicht, etwas zu sagen", bestätigt der Justitiar des Mutterhauses, Michael Metzdorf.

Weitere Krankenhäuser signalisieren Interesse



Ein mailbasiertes, anonymes Fehlermeldesystem ermögliche zudem, "Beinahe-Zwischenfälle" zu melden.

Das habe mit Denunziation nichts zu tun: "Wir wissen, dass auf einen schweren Zwischenfall 300 eindeutige Hinweise kommen, dass er passieren wird", erklärt Härting. Durch Vernetzung könnten sich Krankenhäuser außerdem auch gegenseitig Feedback geben.

Mittlerweile zeigten sich auch andere Krankenhäuser an dem System interessiert. Von der Wirksamkeit der Maßnahmen ist man überzeugt, auch wenn, wie Michael Metzdorf erklärt, es noch zu früh für sichtbare Veränderungen in der Schadensstatistik sei.

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