Als 6000 Fußball- Fans vor Schreck erstarrten

Das war’s, das Spiel ist aus, die Party findet nicht statt. Mehr als 6000 Fans warteten am Zurlaubener Ufer vergebens auf das Sommermärchen 2008 und den Titel des Europameisters. Die Enttäuschung war grenzenlos.

 Gebannt starren die Fans in Zurlauben auf die Leinwand. Foto: Hans Krämer

Gebannt starren die Fans in Zurlauben auf die Leinwand. Foto: Hans Krämer

Trier. Noch steht die Sonne hoch am Himmel und heizt gnadenlos ein. Würde das EM-Finale bereits jetzt, am Nachmittag, beginnen,
hätten die Zuschauer am Zurlaubener Ufer schlechte Karten. Auf den zwei Großleinwänden sind zwar schemenhafte Bewegungen
zu sehen, aber die Sonne verhindert die präzise Wahrnehmung bewegter Bilder. Dennoch läuft die Fußball-Party langsam, aber unaufhaltsam an. Die Fans sichern sich die besten Plätze auf den Hängen, und immer wieder weist DJ „Oef le Boef“ darauf hin: „Um 20 Uhr geht die Sonne hinter dem Weißhaus unter, dann seht ihr alles.“ Wie sich herausstellt, hat er völlig Recht. Auch wenn die 20. Wiederholung dieses gut gemeinten Hinweises das Volk allmählich zu nerven beginnt. Als die Sonne sich dann tatsächlich verabschiedet, warten mehr als 6000 Fans auf den Anpfiff des Finales. Die Vorfreude ist riesig. Über Zurlauben weht ein Fahnenmeer, Tausende singen sich gemeinsam warm.

Das Spiel beginnt, das deutsche Team reißt Zurlauben in den ersten Minuten mit: Stadion-Atmosphäre am Moselufer. Schnelle Aktionen auf dem Rasen, emotionale Reaktionen auf den Hängen. Doch das Spiel kippt, und mit ihm die Stimmung. Kai, ein Zwei-Meter-Mann in einem Replikat des 1954er Trikots, brüllt seinen Frust nach einem unnötigen Ball verlust im Mittelfeld raus. „Ihr seid doch unfähig.“ Aus der Vorfreude wird Angst. Die schlimmsten Befürchtungen werden wahr. Torres trifft zum 1:0 für Spanien. Zurlauben er starrt. Philipp Lahm, der Held des Spiels gegen die Türkei, kann den spanischen Stürmer nicht stoppen und wird zur Zielscheibe der Frustentladung. „Lahm, was machst du?“, brüllt Kai. Es folgen nicht druckreife Äußerungen.

Zurlauben holt tief Luft, und nach der Pause regt sich wieder Leben auf den Hängen. Deutschland kommt ins Spiel zurück. Wieder wehen die Fahnen. Die Fankurve auf den Hängen gibt alles. Bei jedem Freistoß, jedem Eckball. Es hilft nichts. Statt Tor jubel konstantes Entsetzen, denn die Spanier sind nicht zu bremsen. Kollektive Verzweiflung auf den Hängen. Die Schalker unter den Tierer Fans jubeln, als Kevin Kuranyi reinkommt. „Der reißt es raus“, schreit einer. Doch auch der Fuß baller mit der wahrscheinlich schlechtesten Frisur kann keine Wende erzwingen. Die letzten Spielminuten werden zur Qual. „Nur noch zwei Minuten“, ächzt Kai. So klingt ech tes Entsetzen. Spanien siegt und wird Europa meister. Der DJ will seine Fuß ballParty retten und versucht es mit Lautstärke: „Wir sind Vize Europameister.“ Doch das kommt nicht an, es schlägt eher ins Gegenteil um. Niemand will feiern. Der Traum ist vorbei. Wer noch zu enttäuscht ist, um schon nach Hause gehen zu können, hört Tom Jones und AC/DC zu den Bildern jubelnder Spanier. Die große Feier fällt aus, ebenfalls der Autokorso. Die Fankurve Zurlauben löst sich größtenteils schweigend auf und verschwindet in die Nacht. Die Party ist vorbei, noch ehe sie richtig begonnen hat.

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