Als der OB kalte Füße bekam

Die Idee kam mir beim Viez in der "Glocke", und ich fand sie richtig gut: Als April-Scherz 1993 im Trierer Lokalteil kündigte ich die öffentliche Präsentation der "Debüt-CD von OB Helmut Schröer" an. Was angesichts der Umtriebigkeit Schröers als äußerst dankbares und nicht einmal völlig abwegiges Thema erschien.Den Plan, sich dem Volke auch als Pop-Sänger mitzuteilen, habe der OB unter dem Eindruck des Open-Air-Konzerts von US-Superstar Prince 1992 im Moselstadion entwickelt, fabulierte ich; er sei "zutiefst beeindruckt, wie Prince mit den Massen umgeht. Ich habe von ihm gelernt und möchte mein Talent gewinnbringend für Trier einsetzen - quasi als neue Form des Stadtmarketings." Da Schröer in der Karnevalssession 1993 tatsächlich gesungen und das Narrenvolk mit kölschem Liedgut beglückt hatte, ließ sich die Popstar-in-spe-Geschichte wunderbar auswalzen. Der OB, Künstlername: Grandmaster Helmut, habe seine Debüt-CD mit Guildo Horn & den orthopädischen Strümpfen aufgenommen und bewährte heimatliche Weisen zeitgeistig aufgepeppt: "O Mosella" als Reggae, das "Duumstaan"-Gedicht gerappt und so weiter. Die Platte werde im großen Rathaussaal live präsentiert; die Bürger seien "bei freiem Eintritt und einem Glas Trierer Augenwischer herzlich eingeladen". Um der Ankündigung "Authentizität" zu verleihen, versuchte ich, ein Foto mit Guildo Horn und Schröer zu arrangieren. "Kein Problem. Gerne!", sagte Horn alias Horst Köhler. Schröer hingegen hielt sich seltsam bedeckt, als ich ihn anrief: "Guildo wer? Ach, der Bekloppte, der auf Roy Black macht. Aber na gut, sei's drum. Machen wir das Foto." Eine Stunde vor dem vereinbarten Zeitpunkt rief Schröers Sekretärin an: "Der Herr Oberbürgermeister kann nicht. Ihm ist ein wichtiger Termine dazwischengekommen." Der Aprilscherz erschien ohne Bild. Dennoch nahmen erstaunlich viele Leute ihn für bare Münze. Später erfuhr ich, dass der sonst so publicityfreundliche Schröer keinen Termin, sondern kalte Füße bekommen hatte. Als Guildo so richtig Karriere machte, hatte ihn Schröer lieb. Vom platzen gelassenen Fototermin wollte er schon 1998, als Guildo beim Grand Prix d'Eurovision auftrat, nichts mehr wissen. Roland Morgen

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