Altenheim, nein danke?

Den Partner, die Mutter oder den Vater ins Seniorenheim schicken? Das ist ein schwerer Schritt, der wohl überlegt sein mag. Aber Heime haben oft einen schlechteren Ruf, als sie in der Realität sind. Aber auch Eigeninitiative der Angehörigen oder Betreuer ist wichtig, um die Situation der Bewohner zu verbessern.

Trier. Der Sohn besucht seine demenzkranke Mutter im Seniorenheim. Sie empfängt ihn mit den Worten: "Gestern war meine Lieblingsbluse noch da! Jetzt hat sie mir Karl, der Pfleger, geklaut." Das ist eine Situation, wie sie sich tagtäglich in Seniorenheimen abspielen und womöglich zu Konflikten zwischen Personal und Angehörigen führen kann.

Unter anderem mit diesem "Wäscheproblem" hat sich die "Betreuer-helfen-leben-Gruppe" der katholischen Sozialdienste in Trier (siehe Extra) beschäftigt. Im Haus Franziskus beantwortete eine Expertin in Sachen Pflegeheime, Ruth Klein von der Stabstelle Altenhilfe der Barmherzigen Brüder Trier (BBT), die Fragen der Diskussionsteilnehmer. Das Thema Altenheim und das Thema Demenz-Erkrankung hängen eng zusammen. Immerhin sind etwa 60 Prozent der deutschen Heimbewohner an Demenz erkrankt. Für deren Lebensqualität ist entscheidend, dass Angehörige und Betreuer niemals vergessen, wie wichtig sie für die Erkrankten sind.

Personal muss Angehörige als Partner begreifen



Auch wenn sie nicht mehr die komplette Pflege übernehmen, bleiben die Angehörigen dennoch die wichtigsten Bezugspersonen. Laut Klein muss das Personal sie als Partner betrachten. Denn: "Das Personal kann für positive Rahmenbedingungen und eine gute Versorgung einstehen. Die gefühlsmäßige Zuwendung, die jeder Bewohner braucht, können wir im Seniorenheim nicht leisten." Dafür sei die Personaldecke zu eng. Da seien die Angehörigen in höchstem Maße gefordert. "Jedes Haus, das behauptet, es könne all seinen Bewohnern die emotionale Zuwendung garantieren, die sie brauchen, lügt", so Klein.

Oft ermöglicht es der Beruf der Angehörigen jedoch nicht, dass sie sich jeden Tag um ihre Verwandten im Heim kümmern können. Georg Ruby (54) ist zum Beispiel als Musikprofessor viel unterwegs. Trotzdem nimmt er sich die Zeit, seine Mutter viermal in der Woche jeweils für etwa eine Stunde zu besuchen. Zweimal im Monat geht er mit ihr ins Theater.

Das reicht ihm jedoch nicht aus. Zusätzlich hat er zwei freiberufliche Altenpfleger engagiert, die jeweils sechs Stunden pro Woche etwas mit seiner Mutter unternehmen. "Die heben den Umgang mit meiner Mutter auf eine individuellere Ebene", beschreibt Ruby seine Motivation. Durch private Initiative hat Ruby einen Weg gefunden, das Leben seiner Mutter im Seniorenheim St. Irminen zu verschönern, ohne sich selbst einschränken zu müssen.

Gegenüber Seniorenheimen hat er eine positive Einstellung: "Wenn Leute ihren Alltag nicht mehr bewältigen können, ist das Wichtigste ein stabiler Tagesablauf, vor allem regelmäßiges Essen und Trinken", sagt Ruby. Das kann die Institution Seniorenheim laut Ruby sogar besser leisten als Privatpersonen. Die Demenzkrankheit seiner Mutter sei kaum weiter fortgeschritten, seitdem sie im Heim wohnt.

Die zusätzliche Betreuung seiner Mutter lässt Ruby sich etwas kosten. Das kann sich nicht jeder leisten. Aber der Ansatz, durch private Initiative Individualität in ein Seniorenheim zu bringen - sei es durch eigenes Engagement oder auch durch bezahlte Hilfe - ermöglicht den Bewohnern ein lebenswerteres Leben.

Bevor jedoch Probleme mit der konkreten Situation im Pflegeheim zu bewältigen sind, müssen sich die potenziellen Bewohner und die Angehörigen für ein Heim entscheiden. "Welches Heim für welchen Bewohner geeignet ist, ist ganz unterschiedlich. Sie müssen sich im ersten Schritt darüber klar werden: Was erwarte ich von einer Einrichtung?", sagt Klein. Das Leben im Heim soll die Lebensumstände verbessern und nicht verschlechtern. Extra Die "Betreuer-helfen-leben-Gruppe" ist entstanden auf Initiative von Günter Crames vom "Katholischen Verein für soziale Dienste Trier" (SKM) und Caroline Klasen vom "Sozialdienst katholischer Frauen Trier" (SKF). In der Gruppe kommen Ehrenamtliche, Betreuer und Angehörige zusammen, die sich intensiv mit dem Thema Demenz beschäftigen. Benannt ist die Gruppe nach dem Rundbrief "Betreuer helfen leben", den SKM und SKF ein- bis zweimal jährlich veröffentlichen wollen, um neue Helfer zu werben und die schon ehrenamtlich Tätigen zu informieren. Infos unter Telefon: 0651/9496132 (Caroline Klasen) und 0651/1478849 (Günter Crames). (cmk)

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