Ampel-Bündnis sitzt auf Dynamit

Eigentlich sollte die neue Trie-rer Ampel ab der kommenden Woche den kommunalpolitischen Verkehr in der Stadt rot-gelb-grün regeln. Doch momentan sieht es mehr nach einem Blaulicht-Rettungseinsatz aus - mit ungewissem Ausgang.

Trier. Die Flitterwochen im Bündnis sind vorbei, der Ton ist rau geworden. Von den "sturen Grünen" spricht man in SPD-Kreisen, die wiederum fühlen sich "von der SPD gelinkt". Und die Liberalen räumen hinter vorgehaltener Hand unumwunden ein, man sei in einer "vertrackten Situation".

Es geht um die Wahl des Bürgermeisters, der künftig die Verantwortung für Schulen, Soziales, Jugend und Sport tragen soll - ein "Superdezernent", wie SPD-Chefin Malu Dreyer zu betonen pflegt. Von Anfang an hatten die Grünen Interesse an diesem einflussreichen Job bekundet - und im Bündnis ließ man sie gewähren. Die Partei-Arithmetik passte gut: Den OB stellt die SPD, am Wirtschafts- und Kulturdezernat schnupperte die FDP, und für die größte, aber "oppositionelle" Fraktion CDU bliebe immer noch Baudezernentin Kaes-Torchiani.

Klare personelle Absprachen innerhalb des Bündnisses gab es offenbar nicht - was selbst maßgebliche Architekten der Koalition inzwischen als "möglichen gravierenden Fehler" einstufen. Die SPD betonte, die Qualifikation sei entscheidend, was die Grünen für sich etwa so übersetzten: Wenn sie einen qualifizierten Bewerber aufböten, sei ihnen der Posten sicher. Und da sie mit dem Eigengewächs Reiner Marz und der früheren Landesministerin Angelika Birk gleich zwei tragfähige Kandidaten ins Rennen schickten, schien ihnen die Birne so gut wie geschält.

Doch das böse Erwachen kam bei der Vorstellungsrunde der Bewerber am vorletzten Wochenende. Man ging arg sorglos in das Casting, jede Fraktion beriet für sich, man tauschte innerhalb des Bündnisses nicht einmal "Beobachter" aus. Die inzwischen zur Favoritin avancierte Angelika Birk kam bei der SPD gar nicht gut an - und sorgte auch sonst nicht für krasse Begeisterung.

Reiner Marz zieht Kandidatur nicht zurück



Zudem recherchierten die Genossen in Kiel, und dort war über die grüne Ex-Ministerin zu hören, sie gelte nicht unbedingt als Teamarbeiterin. Also das Gegenteil von dem, was der eher kooperative als autoritäre OB Klaus Jensen für seinen Stadtvorstand sucht.

Die von der SPD favorisierte Weseler Jugendamtsleiterin Ila Brix-Leusmann hinterließ allseits einen blendenden Eindruck, schleppt aber ein elementares Problem mit sich herum: ihr SPD-Parteibuch. Kein Mensch nimmt den Sozis ab, dass sie allein nach Kompetenz ausgewählt wurde und rein zufällig der SPD angehört - selbst wenn es so wäre.

Offenbar versagte die Bündnis-Kommunikation auch nach der Anhörung. Die Grünen nominierten mehrheitlich Birk, viele von ihnen in der irrigen Meinung, die SPD werde den Verzicht auf Marz honorieren. Nun ist der Frust umso größer. Kaum vorstellbar, dass die Grünen als kraftstrotzender Wahlsieger und drittstärkste Fraktion auf einen Sitz im Stadtvorstand verzichten, um einen zweiten Sozialdemokraten und einen Vertreter der weitaus kleineren FDP an die Stadtspitze zu hieven. Aber auch kaum vorstellbar, dass die SPD eine Kandidatin mitträgt, von der sie nicht überzeugt ist.

Vor diesem Hintergrund ist interessant, dass Reiner Marz seine Bewerbung keineswegs zurückgezogen hat. Der ehemalige Landtagsabgeordnete hat sich aus der Diskussion völlig herausgehalten und schweigt. Wenn sich die Beratung über die beiden Damen nach der heutigen zweiten Anhörung völlig verkeilt haben sollte, könnte er ein Comeback feiern. Schließlich hat noch niemand öffentlich ein Argument dafür geliefert, warum der gewiefte Taktiker den Job nicht können sollte.

Sollten alle Stricke beim Bürgermeister reißen, dürfte auch die Wahl von FDP-Chef Egger zum Wirtschafts- und Kulturdezernenten kippen - und mit ihm das ganze Bündnis. Ein Wunsch-Szenario für die CDU, bei der man sich derzeit gerne an 1992 erinnert, als eine "neue Mehrheit" an der Zerstrittenheit der SPD zerbrach. Man werde mit der Nominierung eigener Kandidaten "bis zuletzt warten", hatte Fraktions-Chef Berti Adams schon vor Wochen angekündigt. So hält man sich alle Optionen offen.

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