An einem Tor zur "Festung Trier"

TRIER. (red) Ab heute berichten im Trierischen Volksfreund Zeitzeugen von den letzten Tagen des Krieges. Adolf Neyses schildert beeindruckend die letzten Tage vor der Befreiung Triers.

Nach den schrecklichen Bombenangriffen der Vorweihnachtstage 1944 (mit 1335 Tonnen Sprengbomben), die ich glücklicherweise alle im Schutz des Hochbunkers Augustinerhof überleben konnte, zogen Dienststellen der Stadtverwaltung Anfang Januar 1945 in einen Felsenstollen nach Trier- West um, in den so genannten "Christkönigsbunker". Von dort wurde auch ich in die Evakuierung geschickt, kehrte Mitte Januar zurück und lebte in den nächsten sechs Wochen illegal - sozusagen im Untergrund - in meinem Elternhaus im Avelertal in Kürenz mit meinem Vater zusammen, der als Oberlokführer bei der Reichsbahn noch Dienst tun musste (Frontnachschub!). Ohne Wasser-, Gas- und Stromversorgung war das kein angenehmes Leben. Als das Bahnbetriebswerk Trier Hbf am 27./28. Februar wegen unmittelbarer Frontnähe mit dem Hilfszug Trier verlassen musste, blieb ich allein zurück. Ohrenbetäubendes Flak-Feuer

Der "Führer" hatte noch im Januar Trier zur Festung erheben wollen, wogegen sich ein Oberst wandte: Man könne eine Festung nicht an einem Tag auf die Beine stellen, ... und dass man mit 600 besoffenen Volkssturmmännern und ihrer Phantasiebewaffnung allein Trier nicht verteidigen könne... Am 1. März 1945 wurde ich in der Frühe durch heftiges Maschinengewehrfeuer geweckt: Leuchtspurmunition vom Grüneberg zum Petrisberg und umgekehrt. Auf beiden Bergen waren Flak-Geschütze mit Kaliber 8,8 cm stationiert, die bald bis zum Nachmittag losballerten. Der Volkssturm hatte hinter einer Panzersperre im Aveler Tal und in benachbarten Häusern Stellung bezogen. Gegen 16 Uhr erschien ein einzelner Panzer mit einem weißen Stern, der vom Avelerhof aus langsam die Straße abwärts gerattert kam und genau vor unserem Haus mit abgestelltem Motor stehen blieb, etwa 100 Meter vor einer geschlossenen "Panzersperre". Bei geöffneten Luken hörte ich GIs sprechen, die offenbar ihre Beobachtungen per Funk weitergaben. Mit war nicht wohl zumute! Als der Panzer zurück gefahren war, packte ich mein Bündel, überkletterte die Sperre und begab mich gegenüber der Tabaksmühle in einen Felsenstollen, als Luftschutzbunker ausgebaut, wo sich einige Zivilisten befanden, aber auch die Befehlsstelle der Flak-Einheit(!) untergebracht war, die auf einen Befehl zum Stellungswechsel wartete, der gegen 20 Uhr eintraf - aber zu spät! Drei GIs waren im Bunker erschienen - nicht aufgeregt. Ohne Widerstand entwaffneten sie etwa 20 Flaksoldaten, die mit erhobenen Händen den Weg in die Gefangenschaft antraten. Gott sei Dank: Nicht ein Schuss war gefallen! Der Volkssturm war anscheinend vor Einbruch der Dunkelheit abgezogen. In der Nacht wurden wir Zivilisten im Bunker noch mehrmals von GIs "erobert". Am Morgen des 2. März standen im Schutz der Mulde des Avelertals vor dem Bunker hintereinander gestaffelt Dutzende Panzer (Typ Sherman), die bald losfuhren, um die weitgehend zerstörte und verlassene Stadt (kampflos) einzunehmen... Die Flak-Einheit hinterließ uns Kisten Lebensmittelvorräte, Zigaretten und Tabakwaren, womit wir uns die nächste Zeit über Wasser halten konnten. Mit großem Bedauern sahen wir Tag für Tag am Himmel riesige Bomberverbände, die in Richtung Osten Tod und Verderben trugen. Es war beruhigend zu wissen, dass wenigstens wir nun alledem glücklich entgangen waren. Täglich strömten jetzt Trierer in ihre zerstörte Stadt zurück, die zuvor in der Umgebung Unterschlupf gefunden hatten. Alle mussten zunächst zur Militärregierung in der Kreissparkasse, Ecke Petrusstraße/Bahnhofstraße, um "vorentnazifiziert" einen Schein zu erhalten, womit man "neuer" Bürger wurde. Noch vor Ende des Krieges sind in Trier die ersten Maßnahmen begonnen worden, die mit dem Enttrümmern der Straßen den langsamen Wiederaufbau einleiteten. Bis sich das Leben allerdings auch nur halbwegs normalisierte, sollten aber noch einige arge "Hunger-Jahre" ins Land gehen. Adolf Neyses, Trier Der Autor war als fast 17-Jähriger im Januar 1945 aus Trier evakuiert worden und unerlaubt zurückgekehrt. Die letzten sechs Wochen vor der Eroberung Triers lebte er in Kürenz "im Untergrund".

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