Anarchisten und Anzugträger

TRIER-NORD. Es muss gewiss ein, wie es heute heißt, "Neo-Liberaler" gewesen sein, der sagte: "Wer unter 30 ist und nicht links, hat kein Herz, wer über 30 ist und immer noch links, der hat keinen Verstand". Die Kneipe "Schwach & Sinn" wird am kommenden Montag 25 Jahre alt.

 Elisabeth Kasseböhmer und Ute Klasen gehören zur zweiten Generation im "Schwach & Sinn": Vieles hat sich nicht verändert, aber der "Rot-Front"-Aufkleber auf der Zapfanlage verblasst allmählich. TV-Foto: Christian Jöricke

Elisabeth Kasseböhmer und Ute Klasen gehören zur zweiten Generation im "Schwach & Sinn": Vieles hat sich nicht verändert, aber der "Rot-Front"-Aufkleber auf der Zapfanlage verblasst allmählich. TV-Foto: Christian Jöricke

Dass es das "Schwach & Sinn" immer noch gibt, liegt daran, dass es seit jeher mit viel Herz und viel Verstand betrieben wird. Die grundsätzlichen Dinge haben sich nicht geändert: Im "Schwach & Sinn" wird immer noch die "konkret" und die "Angehörigeninfo" gelesen, auf den Klotüren stehen immer noch Sprüche wie "Nie wieder Deutschland" und die Belegschaft arbeitet immer noch als Kollektiv, das heißt, alle machen alles und werden gleich dafür bezahlt. Aber mittlerweile liegt zwischen den links orientierten Zeitungen und Magazinen auch der Trierische Volksfreund, zum Mittagstisch kommen Anzugträger und vor der Tür hängen seit Jahren keine politischen Banner mehr. Am 12. Februar 1982 eröffneten sechs Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen in der Maximinstraße 17 das "Schwach & Sinn". Ziel war es, neben der Sicherung des Lebensunterhalts damit ein Stadtteilprojekt ("Nachbarschaftsladen") im damaligen "Problemgebiet" Trier-Süd, wo auch ursprünglich die Kneipe beheimatet sein sollte, aufzubauen und zu finanzieren. "Hinzu kommt das Bedürfnis, ein Stück Gegenkultur in Trier zu schaffen, d.h. kulturelle und politische Veranstaltungen zu machen bzw. einen Raum dafür zur Verfügung zu stellen", heißt es in einem Infoblatt von damals. Den "Nachbarschaftsladen" in Trier-Süd gibt es schon lange nicht mehr. Auch die Veranstaltungen - von Frauenpartys bis Demonstrationen - wurden im Laufe der Jahre immer weniger. Dafür hat sich die Kneipe in vielen Bereichen weiter entwickelt. 1986 wurde in Eigeninitiative der Hof, der bis dahin zur Müllablage diente, zu einem gemütlichen Biergarten umgewandelt. Zwei Jahre später gab es den ersten Mittagstisch, der noch aus Wurst-, Schmalz- und Käsebroten bestand. Heute stehen Gerichte wie Hühnerbruststreifen in Pomodori-Basilikum-Soße und grüne Bandnudeln mit Lachs-Champignon-Soße auf der Karte. Die Preise der umfangreichen Getränke- und Speisekarte kommen einem schmalen Geldbeutel wie ehedem sehr entgegen. "Ich finde es faszinierend, wie die Kneipe gewachsen ist und bin stolz, dass sie 25 Jahre überlebt hat", sagt Ute Klasen, die gemeinsam mit Elisabeth Kasseböhmer (beide seit 16 Jahren dabei), Georgia Zois und Elke Maria "Leo" Recktenwald das Lokal betreibt. "Wohnzimmer für alle möglichen Randgruppen"

Auch wenn das "Schwach & Sinn" immer noch "Wohnzimmer"" für alle möglichen Randgruppen sei, bestünden keine Berührungsängste mehr. "Es gibt keine politische Außenwirkung mehr", sagt Elisabeth Kasseböhmer wiederum mit etwas Bedauern und erinnert sich an Demos und andere Protestaktionen in den 80ern und 90ern. Am 30. April findet allerdings wieder eine kulturelle Veranstaltung statt. Dann feiert die Kneipe ihren 25. Geburtstag mit einer Party. Es spielen Live-Bands, darunter auch die Hauskapelle "Die fetzenden Wirtinnen", die Preise sollen denen der Gründungszeit sehr nah kommen, und es gibt wieder Wurst-, Schmalz- und Käsebrote. Zur Namensgebung des Lokals existieren übrigens zwei Theorien. Die eine lautet: "Auch wenn wir uns in der Gesellschaft schwach fühlen, wollen wir eine Arbeit mit Sinn machen". Nach der anderen soll jemand gesagt haben: "Eine Kneipe zu machen, ist doch absoluter Schwachsinn."

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