Anne Frank Botschafter: Drei rote Sessel auf dem Trierer Kornmarkt

Trier/Schweich/Hermeskeil · Anne Frank Botschafter aus Schulen des Landkreises haben in Trier ihr erstes Projekt umgesetzt: Sie bringen Menschen miteinander ins Gespräch.

 Die frisch ernannten Anne Frank Botschafter laden Menschen mitten auf dem Kornmarkt in Trier zum Diskutieren ein. TV-Foto: Sandra Blass-Naisar

Die frisch ernannten Anne Frank Botschafter laden Menschen mitten auf dem Kornmarkt in Trier zum Diskutieren ein. TV-Foto: Sandra Blass-Naisar

Foto: Sandra Blass-Naisar (sbn) ("TV-Upload Blass-Naisar"

Drei rote Sessel an einem Samstag auf dem Kornmarkt in Trier, in der Mitte ein kleiner Tisch, darauf ein Würfel mit Begriffen wie Demokratie, Ausgrenzung, Diskriminierung, Bildung, Identität, Religionsfreiheit. Drumherum Menschen, die miteinander im Gespräch sind. Davor ein großes Banner mit dem Konterfei von Anne Frank, des traurig-berühmten 15-jährigen jüdischen Mädchens, dessen aufwühlendes, bewegendes Tagebuch das wohl bekannteste und emotionalste historische Dokument aus der Zeit des Holocaust ist. Inmitten der Fußgängerzone ein gemütliches Wohnzimmer mit einem roten Sofa einzurichten, damit sich Menschen begegnen und sich Zeit nehmen, um über gesellschaftliche Themen zu diskutieren, das war die ungewöhnliche Idee von Jule Aschhoff, Eric Platte, Maren Borne, Lena Leidinger, Robin Pohl und Martin Wollscheid. Die Gruppe junger Leute aus sechs Schulen aus Schweich, Trier und Hermeskeil hat sich zu Anne Frank Botschaftern ausbilden lassen. In Berlin sind die Schüler jüngst während eines Festaktes in der niederländischen Botschaft offiziell ernannt worden. Und das bedeutet: Zivilcourage zeigen, sich in der Gesellschaft engagieren, eigene Projekte auf die Beine stellen. "Geht nicht, gibt's nicht."

"Vor zwei Jahren haben wir bei der großen Anne-Frank-Ausstellung mit über 1500 Besuchern in der Schweicher Synagoge als Peer-Guides Menschen in mehr als 50 Gruppenführungen begleitet und das hat uns motiviert, uns weiter zu engagieren", erzählt die 17 Jahre alte Jule Aschhoff.

Mit der sehr engagierten Unterstützung des Anne Frank Zentrums in Berlin ("Mails gingen laufend hin und her") und der beiden Pastoralreferenten Roland Hinzmann und Matthias Schmitz vom Dekanat Schweich-Welschbillig vor Ort sowie des Jugendforums Schweich haben die jungen Leute jetzt ihr erstes Projekt als Anne Frank Botschafter umgesetzt.

"Und sind aus der Deckung herausgekommen, haben sich getraut, in der Stadt Menschen anzusprechen und ins Gespräch zu kommen", sagt Matthias Schmitz, der sich im Dekanat um das Thema Gedenkarbeit kümmert und die Dauerausstellung "Jüdisches Leben in und um Schweich" betreut. "Wir haben gelernt, dass man Gedenkarbeit immer auch aktualisieren muss, damit sie lebendig bleibt", ergänzt Hinzmann. "Nur wer die Vergangenheit kennt, ist für die Zukunft gewappnet."

Das viertägige Seminar in Berlin sei für ihn eine "Wahnsinnserfahrung" gewesen, schwärmt Eric Platte. "Gemeinsam mit anderen Peer Guides aus ganz Deutschland haben wir unsere Erfahrungen ausgetauscht und eigene Projektideen entwickelt. Wie organisieren wir ein Projekt? Wie akquirieren wir Geld? Wie können wir unser Projekt konkret umsetzen?" Dabei sei es vor allem auch darum gegangen, so selbstständig wie möglich zu arbeiten. "Wir haben viel Freiraum bekommen. Freiraum, den Anne Frank nie hatte."

In den knapp sechs Stunden, die sie auf dem Kornmarkt waren, haben sich mehr als 20 Leute Zeit genommen, haben sich auf die roten Sessel gesetzt und zu den unterschiedlichsten Themen diskutiert, berichtet Eric Platte.
Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die zufällig vorbeiging, hat interessiert und neugierig Platz genommen. "Ein Super-Gefühl, Menschen generationsübergreifend zusammenzubringen, weil alle sehr ehrlich und offen geredet haben in Zeiten, da man glaubt, die Diskussionskultur geht unter", lacht Jule Aschhoff. "Ach ja und schön, wenn ein 14-Jähriger sein Handy beiseite legt. Und diskutiert."Extra: AUSZEICHNUNG: ANNE FRANK BOTSCHAFTER*INNEN

"Wie herrlich ist es, dass niemand eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu ändern", schreibt Anne Frank am 26. März 1944 in ihr Tagebuch, ein Jahr bevor sie 1945 im KZ Bergen-Belsen starb. Das Anne Frank Zentrum in Berlin ist die deutsche Partnerorganisation des Anne Frank Hauses in Amsterdam. Mit Ausstellungen und Bildungsangeboten erinnert das Zentrum an Anne Frank und ihr Tagebuch. Mit dem Programm "Anne Frank Botschafter*innen. erinnern und engagieren" unterstützen die Berliner junge Menschen, eigenständig Projekte für Demokratie und gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus an ihrem Wohnort umzusetzen. Für ihr Engagement werden sie jedes Jahr an Anne Franks Geburtstag am 12. Juni als Anne Frank Botschafter*innen ausgezeichnet.

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