Anreise zur Abreise

TRIER-NORD. Mehr als 30 Flüchtlinge sind gestern in das so genannte Ausreisezentrum in der Dasbachstraße eingezogen. Bislang lebten sie in Ingelheim; von dort brachte sie ein Bus an die Mosel.

 Fühlen sich noch unsicher in der neuen Umgebung: Lisa Chen und Ming WanFoto: Marcus Stölb

Fühlen sich noch unsicher in der neuen Umgebung: Lisa Chen und Ming WanFoto: Marcus Stölb

Eine zarte Kinderstimme brummelt durch den kahlen Korridor. Ming Wan rutscht auf allen Vieren über den Boden, schiebt seinen bunten Plastikbagger über den Flur. Hinein ins Nachbarzimmer, wo Lisa Chen den Bruder auch schon erwartet. Ausgelassen toben die beiden kleinen Chinesen inmitten von Koffern und Reisetaschen, Bettgestellen und Windelpaketen. Für einen Moment vertreibt das Kinderlachen die Tristesse, die auf der ersten Etage des so genannten Ausreisezentrums herrscht. Dort sind an diesem Morgen mehr als 20 Flüchtlinge eingezogen, weitere zehn Personen sollten am gestrigen Abend aus Ingelheim anreisen. Mutter Chen lächelt unsicher

Lisa Chens und Ming Wans Eltern stehen etwas verloren zwischen den vielen Sachen. Unsicher lächelt Mutter Chen, weicht der Frage aus. Sie will nicht sagen, wie lange sie und ihr Mann schon in Deutschland leben. Zu oft hat man ihr diese Frage gestellt; in den zehn Jahren, seit die Chens von der Volksrepublik in die Bundesrepublik flüchteten. Weil das Ehepaar viele Kinder haben wollte, die chinesische Regierung jedoch die Ein-Kind-Politik propagierte. Die ersten Jahre sah es so aus als könnten die Chens hierzulande ein neues Leben anfangen. Vater und Mutter hatten einen Job gefunden, lebten in einer eigenen Wohnung und nicht von Sozialhilfe. Doch ihr Asylantrag wurde abgelehnt und ihnen damit das Recht verwehrt, sich in Deutschland aufzuhalten oder zu arbeiten. Seit drei Jahren wird die Familie Chen nun schon "geduldet", ihre Abschiebung wurde somit nur ausgesetzt. Im Ausreisezentrum will man sie jetzt dazu bewegen, freiwillig nach China zurückzukehren. Mit ihren inzwischen zwei Kindern. Im Nachbarzimmer ist ein iranisches Ehepaar eingezogen. "Vor acht Jahren kamen wir nach Deutschland. Acht Monate lang waren wir nun schon im Ingelheim", erzählt die Iranerin. Nein, sagt die Frau, in den Iran wollten sie und ihr Mann nicht mehr zurück. Schließlich seien sie Christen, und im Iran herrsche bekanntlich der islamische Fundamentalismus. Gegenüber dem Standort in Ingelheim haben sich die Bedingungen für die Flüchtlinge in Trier weiter verschlechtert, sagt Flüchtlingshelfer Bernd Drüke, der bereits in Ingelheim ehrenamtlich arbeitete. Die Trierer Zimmer seien halb so groß, und es gebe nur eine Gemeinschaftsküche. Die ist an diesem Mittag verschlossen. Auf den Gemeinschafts-Toiletten pinseln derweil noch die Anstreicher, in manchen Räumen herrschen Chaos oder gähnende Leere. Fast könnte man meinen, das Ausreisezentrum sei über Nacht umgezogen. Auf diese Idee könnte man auch bei einem Blick auf Bescheide und Verfügungen kommen, die dem Trierischen Volksfreund vorliegen. So erhielten einige Flüchtlinge erst in der vergangenen Woche die Verfügung zur "ausschließlichen Wohnsitznahme" in der Trierer Dasbachstraße. Obwohl der Umzug schon seit Monaten feststand und Gruppen wie das Trierer Flüchtlingsforum schon seit Monaten gegen die "Inbetriebnahme des Ausreisezentrums" protestierten. Sprecher Markus Pflüger kündigte gestern an, man werde mit den Betroffenen gemeinsam überlegen, wie das Flüchtlingsforum jetzt vor Ort helfen könne.

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