Arbeitgeber, bitte zur Kasse!

Trier · Seit 2005 dürfen die gesetzlichen Krankenkassen Zusatzbeiträge von ihren Versicherten verlangen. Und zwar nur von diesen. Die Beiträge der Arbeitgeber bleiben unverändert. Die Landesregierung will, dass die Arbeitgeber sich im gleichen Maße an der Finanzierung der Kassenbeiträge beteiligen wie die Versicherten.

Trier. Viele Arbeitnehmer werden es spätestens in diesen Tagen beim Blick auf ihre Lohn- oder Gehaltsabrechnung bemerken: Die meisten gesetzlichen Krankenkassen haben ihre Beiträge erhöht. Manche sogar sehr deutlich, wie etwa wie DAK, die 0,6 Prozentpunkte nach oben gegangen ist. Der Beitragssatz für DAK-Versicherte liegt bei 16,1 Prozent.Eingefrorener Beitrag


Im Schnitt sind die Beiträge der gesetzlichen Kassen Anfang des Jahres von knapp 15,5 auf 15,7 Prozent gestiegen (der TV berichtete). Allerdings tragen allein die Versicherten die Steigerungen - die Arbeitgeber bleiben davon unbehelligt: Ihr Anteil an der Finanzierung der Krankenkassen ist bei 7,3 Prozent eingefroren.
Und genau das stört die rheinland-pfälzische Landesregierung. "Es kann nicht sein, dass die Erhöhung der Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung allein den Arbeitnehmern aufgebürdet wird", sagt Ministerpräsidentin Malu Deyer (SPD). Bei einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 2915 Euro steige die Belastung der Arbeitnehmer bei einer Erhöhung der Beiträge um 0,2 Prozentpunkte von 239 auf 245 Euro pro Monat. Zusammen mit anderen Bundesländern, darunter Niedersachsen, wird Rheinland-Pfalz daher bei der nächsten Bundesratssitzung in der kommenden Woche eine Initiative einbringen, wonach die Finanzierung der Kassenbeiträge künftig wieder von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in gleichem Maße getragen werden soll.

Das Problem der SPD und damit auch Dreyers: Die Sozialdemokraten haben 2005 gemeinsam mit den Grünen in der Bundesregierung einen Zusatzbeitrag von 0,9 Prozentpunkten für Versicherte eingeführt, abgekoppelt von den Arbeitgeberanteilen an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen.

Führende SPD-Politiker, darunter auch Dreyer, argumentieren, dass der damals beschlossene Sonderbeitrag vor dem Hintergrund von fünf Millionen Arbeitslosen eingeführt worden sei. Inzwischen hätten sich die Zeiten geändert. Sprich: Die Zahl der Arbeitslosen ist gesunken, es gibt demnach keinen Grund, die Arbeitgeber weiter von der sogenannten paritätischen Finanzierung der Kassenbeiträge auszuschließen.

Dreyer weist vor allem auf die zu befürchtende weitere Erhöhung der Zusatzbeiträge für die Versicherten hin. Die gesetzlichen Kassen rechnen damit, dass der Beitrag aufgrund der zunehmenden Ausgaben für die Krankenhausfinanzierung und Medikamente jährlich um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte steigen wird. Bis zum Jahr 2019 wird sogar mit einem durschnittlichen Zusatzbeitrag von 1,8 Prozent gerechnet - das wäre ein doppelt so hoher Beitrag wie noch 2015. Auch viele Kassen - wie etwa die Barmer GEK, die Techniker Krankenkasse oder auch die IKK Südwest - fordern ein Zurück zur paritätischen Finanzierung. Die Grünen sehen in dem eingefrorenen Arbeitgeberanteil eine Konjunkturhilfe für die Unternehmen.

Das sehen diese naturgemäß anders. Es sei richtig, die Arbeitskosten von der zukünftigen Entwicklung der Gesundheitskosten zu entkoppeln, sagt Arne Rössel, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern (IHK). Der Anteil der Arbeitgeber an der Finanzierung der Sozialversicherung liegt laut Rössel bereits jetzt deutlich über dem der Arbeitnehmer. Er zählt dazu die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die fast komplett von den Arbeitgebern bezahlten Sozialbeiträge für die Minijobber.Argumente der Kammern


Die Kammern kritisieren daher die Bundesratsinitiative der Landesregierung. Sie komme "zur Unzeit" und stelle ein "echtes Wachstumsrisiko" dar, sagt Rössel. "Die Arbeitgeber in diesen Zeit mit Planspielen über steigende Arbeitskosten zusätzlich zu verunsichern, entspricht nicht unserem Verständnis einer mittelstands- und wirtschaftsorientierten Politik."
Unterstützt wird die Wirtschaft von der CDU, die bislang wenig Bereitschaft zeigt, von der bisherigen Regelung der Kassenfinanzierung abzuweichen.

Allerdings könnte die Diskussion einem altbekannten Thema wieder Auftrieb verleihen: der Bürgerversicherung. Grüne und Linke im Bundestag fordern die Einführung der sogenannten solidarischen Gesundheitsversicherung, dass also alle Bürger unabhängig vom Einkommen Beiträge für eine einheitliche Krankenversicherung zahlen sollen. Die Idee einer Bürgerversicherung taucht regelmäßig in Wahlprogrammen von Grünen, Linken und SPD auf. Eine Umsetzung ist bislang immer gescheitert.

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