Auf Wiedersehen, Karl - bis in fünf Jahren!

Trier · "Niedlich" - "unverantwortlich" - "zum Klauen": Die 500 Karl-Marx-Figuren des Künstlers Ottmar Hörl an der Porta Nigra haben bei Besuchern unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. 400 von ihnen wurden verkauft, 80 gestohlen und 20 verschenkt. Am Sonntag endet die Ausstellung. Der TV hat aus diesem Anlass den kleinen Karl mit TV-Fotograf Friedemann Vetter auf eine Reise durch die Stadt geschickt - und Beteiligte nach einer Bilanz gefragt.

Trier. Menschentrauben bilden sich an der Porta Nigra um die kleinen roten Marx-Figuren; politische Auseinandersetzungen entzünden sich an den Skulpturen; offene Briefe zur Verdammung der Ausstellung kursieren in der Stadt; Menschen begehren und kaufen (400 Stück verkauft) oder stehlen 84-fach die Marx-Männchen aus Plastik, die Polizei ermittelt: Die dreiwöchige Installation des Künstlers Ottmar Hörl rund um die Porta Nigra hat viele Menschen dazu gebracht, sich mit Marx - in welcher Art und Weise auch immer - auseinanderzusetzen. Das Projekt von Hörl, die Ausstellung von 500 Karl-Marx-Skulpturen, endet am Sonntag, 26. Mai, nach drei Wochen. Der TV hat Worte zum Abschied gesammelt:

Resümee von Christoph Maisenbacher, Agent des Künstlers Ottmar Hörl: "Good bye ,Charles'" - die Lässigkeit mit der Du die Bürger und Besucher von Trier empfangen hast, motivierte viele zu einem Lachen, zu einem Foto mit Dir. Da wurde einer, der abgestempelt war, mit einem Mal zu einem ,good friend\'. Nun, die Überzeugungskraft Deiner Präsenz, diese Kombination von römischem Weltreich und Ikone des Kommunismus waren umwerfend. Und die mitunter gestellte Frage ,Lebt der noch?\' ist nun umso einfacher zu beantworten: Du lebst immer noch, bist lebendig und bist als solcher in Deiner ein Meter messenden Größe Teil von Innenräumen, Balkonen und Grünflächen. That\'s life."

Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen: "Der TV will sich von Karl mit dieser Seite verabschieden. Lieber TV, das geht nicht, Karl ist immer präsent, im Karl-Marx-Haus, in der Sim, in der tollen Ausstellung im Stadtmuseum sowieso. Wer noch nicht da war: bis Oktober, nicht verpassen, einfach klasse! Ob Karl so glücklich über seine 500 Brüder war? Und das auch noch an der Porta, dem Symbol des imperialistischen römischen Reichs? Der Verkaufspreis von 350 Euro: real existierender Kapitalismus aus Sicht der Arbeiterklasse. Ein so großes Universalgenie, 500-mal auf Gartenzwerggröße? Aber jeder einzelne Diebstahl brachte großes Medieninteresse. Das ,Mitholen\' war pressetechnisch noch erfolgreicher als das Hinstellen. Apropos Hinstellen: Als Demokrat habe ich nichts dagegen, dass Gregor Gysi sich hinstellt und eine Rede hält. Aber mit großen Worten Trier die tolle Idee anzutragen, 2018 zum 200. Geburtstag groß zu feiern, war schon ein starkes Stück aus dem Tollhaus! Für wie schläfrig hält er die Trierer? Guten Morgen, Herr Gysi, aufwachen! Wir sind schon längst bei den Vorbereitungen!"

Offener Brief der Touristin Jutta Braun aus Dortmund: "Wir hatten uns sehr auf die alte, geschichts trächtige Stadt Trier gefreut. Wie sehr mussten wir aber staunen, als wir in die Nähe der Porta Nigra kamen. Schon von weitem waren die zunächst als Gartenzwerge betrachteten Figuren zu sehen. Als wir ankamen, erkannten wir den alten Protagonisten der Arbeiterbewegung, Karl Marx. Ich finde, dass es von den Herren Stadtvätern unverantwortlich ist, die historische Porta Nigra mit all ihrer erhabenen Schönheit derartig zu entwürdigen. Hat sich denn kein anderer Platz gefunden als diesen? Wenn ich moderne Kunst besichtigen will, gehe ich in ein Museum. In Trier, dieser alten ehrwürdigen Stadt, wurden wir Opfer einer Zwangsverpflichtung. Bitte nehmen Sie doch ein wenig Rücksicht auf Menschen, die das Alter, die Geschichte und die Schönheit eines historischen Gebäudes zu schätzen wissen."

Erinnerungen der Polizei Trier, Karl-Peter Jochem, Polizeipräsidium: "An den 130. Todestag von Karl Marx wird sich die Trierer Polizei wohl noch lange erinnern. Nicht nur, weil die Beamten fast täglich zur Installation des Künstlers Ottmar Hörl zum Porta-Nigra-Platz ausrücken mussten, um nach gestohlenen Karl-Marx-Skulpturen zu fahnden. Die unermüdliche Arbeit der Beamten, die immerhin gut zwei Dutzend der entwendeten Plastikfiguren (84 Stück wurden gestohlen) wieder ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückbringen konnten, brachte dem Polizeipräsidium Trier sogar einen Auftritt im russischen Fernsehen ein. Der Sender 1TV schickte eigens ein Team seines Berliner Studios nach Trier, um über die Ausstellung und den Diebstahl Dutzender roter Plastik-Kommunisten zu berichten. Ein offizielles Statement des Polizeisprechers mit russischen Untertiteln durfte da natürlich nicht fehlen. Spätestens im kommenden Frühjahr wird die Karl-Marx-Ausstellung wohl wieder das Polizeipräsidium beschäftigen. Dann nämlich wird die polizeiliche Kriminalstatistik für 2013 veröffentlicht. Und der dreiste Seriendiebstahl findet dort sicher seinen Niederschlag, aber wohl eher nicht unter der Rubrik ,Politisch'."

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