Auferstanden aus Ruinen

TRIER. Die Trierer SPD orientiert sich nach dem katastrophalen Abschneiden bei der Kommunalwahl personell und inhaltlich neu. Fraktion und Partei sollen einer Verjüngungskur unterzogen werden. Die Zeit ist knapp, Landtags- und OB-Wahlen stehen 2006 ins Haus.

So sprachlos wie am Wahlabend im Juni hatte man die Trierer Genossen noch nie erlebt. Fassungslos blickten sie immer wieder auf den Rathaus-Computer, der unablässig die Ergebnisse der Trierer Wahllokale ausspuckte. Ein Debakel jagte das nächste, in vielen Innenstadt-Bezirken lagen gar die Grünen vor der stolzen Sozialdemokratie. Am Ende standen 21,9 Prozent und elf Mandate - wie einst in Nachkriegszeiten. Das kathartische Erlebnis hat offenbar Folgen gezeitigt. Die Genossen stellen zurzeit hinter den Kulissen ebenso rasch wie unauffällig die Weichen für einen Neuaufbau, ohne die bisherigen Funktionsträger dabei abzuwatschen. So bleibt beispielsweise Fraktions-Chef Friedel Jaeger im Amt. Er sei einstimmig wiedergewählt worden, heißt es in einer dürren Pressemitteilung. Was nicht drinsteht: Jaeger hat gegenüber der Fraktion explizit darauf verzichtet, die ganze Legislaturperiode zu amtieren. Seine verbleibende Vorsitzenden-Zeit soll einen reibungslosen Übergang zu seinem Nachfolger ermöglichen. Wer das werden könnte, lässt sich der Stellvertreter-Wahl entnehmen: Peter Spang, SPD-Vorsitzender in Trier-Nord, wird zum neuen starken Mann der Fraktion aufgebaut. Aber auch die zweite neue Stellvertreterin, die Kulturpolitikerin Waltraud Jammers, ist eher Querdenkerin als brave Gefolgsfrau. Die neue Selbstständigkeit der Fraktion dokumentiert sich auch in der Benennung einzelner Ressortsprecher. Auch die Partei wird ganz neu aufgestellt. Der Noch-Vorsitzende Christoph Grimm hört früher auf als geplant, die Neuwahl wird auf Januar vorgezogen. Dann könnte mit der rheinland-pfälzischen Sozialministerin Malu Dreyer eine frisch eingeheiratete Neu-Triererin den Chefsessel übernehmen. Probleme gibt es allerdings mit er längerfristigen Perspektive: Viele Genossen würden es gerne sehen, wenn die Hoffnungsträgerin aus Mainz mit der Übernahme des Vorsitzes gleich die Bereitschaft bekunden würde, bei der OB-Wahl im Herbst 2006 anzutreten. Zuvor könnte sie zwecks Absicherung der politischen Karriere das Landtagsmandat von Christoph Grimm übernehmen - und selbiges im Falle einer erfolgreichen OB-Wahl an einen B-Kandidaten weiterreichen. Da stünden mit Lokalmatador Spang und dem überregional profilierten Juso-Landesvorsitzenden Christian Z. Schmitz potenzielle Aspiranten in der Kulisse. Doch das Wunschmodell steht und fällt mit Dreyers Opfer-Bereitschaft, den komfortablen Mainzer Ministersessel notfalls mit dem wackligen OB-Stuhl in einer chronisch defizitären Stadt zu tauschen - und das ohne Mehrheit im Rat. Ministerpräsident Kurt Beck verspürt, wie man hört, wenig Lust, ein Glanzlicht seines Kabinetts für das Himmelfahrtskommando an der Mosel abzustellen. Die Betroffene zeigt sich überrascht von den Spekulationen, die sich um ihre Person ranken. Sie wolle sich nach der Sommerpause "erst einmal der Partei vorstellen". Allerdings sei mit der Mainzer SPD, deren stellvertretende Vorsitzende sie bislang war, abgesprochen, dass sie sich "künftig auf Trier konzentriert". Sie sei "selbstverständlich bereit, sich in die Parteiarbeit einzubringen". Das klingt nicht so, als würde sie ein angemessen angetragenes Vorsitzenden-Amt ablehnen. Was mögliche OB-Ambitionen angeht, hört sich das etwas anders an. Sie sei "leidenschaftlich gern Ministerin", versichert Malu Dreyer.

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