Augen zu und durch

Leider haben die Kirchen hierzulande niemanden, der in der Lage wäre, Kirchensteuer-Einnahmen ähnlich effizient zu vermehren wie der biblische Jesus seinerzeit Brot und Fisch bei der Speisung der Fünftausend. Und weil sie jeden schwindenden Euro nur einmal ausgeben können, müssen sie Prioritäten setzen, auch da, wo es wehtut. Aber es ist nicht so sehr diese Entscheidung, die in Sachen Wichernhaus schmerzt, sondern der Umstand, dass die Kirche sich bei der Umsetzung keinen Deut anders benimmt als jeder x-beliebige Arbeitgeber. Da wird beschwichtigt und taktiert, Hoffnung gemacht und hingehalten. Man führt Gespräche, damit man hinterher sagen kann, man habe sie geführt, aber nicht, um sich auszutauschen. Man schiebt die Verantwortung anderen zu und übt sich in sprachlichen Beschönigungs-Ritualen. Und zum Schluss geht es nach der Devise "Augen zu und durch". Wenig im Verhalten der Kirchengemeinde lässt darauf schließen, dass man sich über Gebühr Gedanken über "mildere" Möglichkeiten gemacht hat. Für die Interessen der Kinder, der Eltern, der betroffenen Arbeitnehmer blieb kein Platz, nicht einmal temporär. Dass Kirchen - man könnte auch Sozialverbände oder Gewerkschaften anführen - sich der finanziellen Realität stellen müssen, ist nicht ihre Schuld. Dass sie dabei oft keine menschlich tragfähigeren Wege finden als Institutionen ohne moralische Verpflichtung, ist immer wieder enttäuschend. d.lintz@volksfreund.de

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