"Auslaufmodell Staat?"

Auf Einladung des Theologischen Quartetts Trier e.V. war Dr. Erhard Eppler zu Gast in Trier. Der ehemalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit fesselte 70 Interessierte mit seinem Vortrag über die Verhältnisse von Staat und Markt.

 Zerfällt der Staat? Erhard Eppler fesselte 70 Zuhörer im Trierer Palais Walderdorff mit seinem Vortrag. TV-Foto: Gabriela Böhm

Zerfällt der Staat? Erhard Eppler fesselte 70 Zuhörer im Trierer Palais Walderdorff mit seinem Vortrag. TV-Foto: Gabriela Böhm

Trier. Einmal gelernt, ist immer gelernt: Mit strammen 81 Jahren konzentriert einen Vortrag halten, ohne Polemik oder Pathos, dafür fundiert und fesselnd. Sechs Jahre lang, von 1968 bis 1974, war Eppler Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, nur eine von vielen interessanten und einflussreichen Stationen seines Lebens, wie Peter Kappenstein bei der Begrüßung Epplers kurz zusammenfasste. Unter anderem war er Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags, 21 Jahre Mitglied des SPD-Bundesvorstands, Bundes- und Landtagsabgeordneter, jahrelanger Vorsitzender der SPD-Grundwertekommission. 121 Bücher und Aufsätze habe Eppler bislang geschrieben, sagte Kappenstein. Das jüngste Werk heißt "Auslaufmodell Staat", ein Thema, das Eppler auch in seinem Vortrag aufgriff.Kernaufgaben eines Staates

Trier sei die einzige Stadt Deutschlands, die eine derartige historische Kontinuität aufweisen könne, sagte Eppler zur Einleitung seines Vortrags über das Bibelzitat "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist" - Kirche, Staat und Markt in Europa". Nach einem historischen Exkurs ging Eppler auf das "Auslaufmodell Staat" ein. "Die Hauptgefahr des 21. Jahrhunderts ist der handlungsunfähige, hilflose und erpressbare Staat", befand Eppler. Kernaufgaben des Staates wie die innere Sicherheit oder das Gewaltmonopol würden zunehmend nicht erfüllt. Als Beispiele nannte Eppler den Kongo, Brasilien oder Italien, das bereits auf dem Weg eines "zerfallenen Staates" sei. Eppler griff eine amerikanische Publikation auf, wonach zukünftig der "Marktstaat" existiere: Der Staat zuständig für die Bereitstellung der Märkte Bildung, Sicherheit oder Gewalt, die Bürger als Kunden, die Bildung oder Sicherheit kaufen. Während Politik moralisch angreifbar sei, treffe dies nicht auf den Markt zu - aktuelles Beispiel die Schließung von Nokia in Bochum, die zwar unmoralisch, aber marktgerecht sei. Das Bewusstsein werde immer weiter ökonomisiert, was Energien absorbiere und zum Schaden des Gemeinwohls sei. Das Verhältnis Staat, Markt und Zivilgesellschaft müsse europäisch neu definiert werden. Mindeststeuern für Unternehmen in Europa könnten ein Ausweg aus der Misere sein, wobei die Kirchen "ein wirksames Wort zu sagen haben", sagte Eppler und erhielt respektvollen Beifall für seine Ausführungen, denen eine Diskussion folgte. Für einen musikalisch-schwungvollen Rahmen sorgte das Jazz-Trio "Rhythm-a-Nink".Das Theologische Quartett Trier e.V. (TQT), eine Initiative des verstorbenen Priesters und Religionslehrers Hermann Münzel, greift in seinen Veranstaltungen religiöse und gesellschaftspolitische Entwicklungen in Kirche, Staat und Gesellschaft auf. Sechs Mal im Jahr werden in Kooperation mit der Trierer Volkshochschule Sonntagsmatineen um elf Uhr im Palais Walderdorff angeboten. Die nächste Veranstaltung findet am 10. Februar statt, in der sich Professor Franz Hamburger mit dem Einwanderungsland Deutschland befasst. Informationen bei Lothar Adenauer, E-Mail-Adresse: TQT@gmx.de.

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