"Auswege beginnen im Kopf"

TRIER. Keine Entwarnung: Beim Neujahrsempfang des Notrufs für vergewaltigte und von sexueller Gewalt bedrohte Frauen im Broadway-Kino Trier ziehen die Veranstalter eine geteilte Bilanz des vergangenen Jahres. Gleichzeitig endete die Plakatausstellung "Schlusspunkt", die seit Dezember an verschiedenen Orten in Trier gegen häusliche Gewalt appellierte.

 Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – und ein markanter Satz dazu sorgt für den nötigen Nachdruck. Besucher des Neujahrsempfangs des Trierer Frauen-Notrufs sehen sich bei der Finissage nochmals die 28 Plakate an, die die Trierer Hilfsstellen in Zusammenarbeit mit lokalen Werbeagenturen entwickelt haben. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – und ein markanter Satz dazu sorgt für den nötigen Nachdruck. Besucher des Neujahrsempfangs des Trierer Frauen-Notrufs sehen sich bei der Finissage nochmals die 28 Plakate an, die die Trierer Hilfsstellen in Zusammenarbeit mit lokalen Werbeagenturen entwickelt haben. TV-Foto: Kim-Björn Becker

"Wenn es ihm besser geht als Ihnen, dann melden Sie sich." "Wie verhält sich ein Mann, der seinen Freund verpfeift? Anständig!" Mit markanten Sätzen und symbolischen Illustrationen ziehen die 28 Plakate im Foyer des Broadway-Kinos die Blicke auf sich und auf ihre Intention. "Schlusspunkt - Ausstellung gegen Gewalt" ist der Titel der grafischen Zusammenstellung, an der neben dem Notruf für von Gewalt bedrohte Frauen, der Trierer Interventionsstelle sowie dem Frauenhaus auch Trierer Werbeagenturen beteiligt waren und ihre kreativen Ideen einbrachten. Das Ergebnis: ein buntes Kaleidoskop, das in seinen Wirkungsabsichten facettenreich und trotzdem eindeutig ist. "Es muss immer nach neuen Wegen gesucht werden, die Opfer zu erreichen", erklärt Diplom-Psychologin Bettina Mann vom Trierer Frauen-Notruf. "Vor allem das Verständnis dafür ist wichtig, warum es für manche Frauen oft schwierig ist, aus einer Gewaltbeziehung herauszugehen. Denn oftmals liegt doch ein relativ traditionelles Rollenverständnis zu Grunde."Großteil der Täter ist der Lebenspartner

So erscheint auch das Motto des Neujahrsempfangs, "Auswege beginnen im Kopf", als durchaus passend. "Viele Frauen sind sich der Gewalt in dieser Form oft nicht bewusst, fühlen sich selbst verantwortlich oder werden vom Täter massiv bedroht", erklärt die Psychologin. Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ergab, dass jede siebte Frau im Laufe ihres Lebens eine "schwere sexualisierte Gewalttat" erlebt, wobei ein Großteil der Täter im unmittelbaren sozialen Umfeld zu suchen sei - zumeist beim Lebenspartner. Doch die Statistik zeigt auch, dass rund zwei Drittel aller Frauen konkrete Hilfsangebote kennen, aber dass nur etwa jede zehnte sich auch an ein solches wendet.Es passiert "quer durch alle Schichten"

"Es wurde auch deutlich, dass sich Frauen zuerst an vertraute Personen wenden und erst später an Ärzte oder Hilfseinrichtungen", sagte Ingrid Gödde vom Frauen-Notruf. Neue Ansätze rücken vor allem pro-aktive Angebote in den Mittelpunkt: "Das bedeutet, dass Dritte aktiv auf die Betroffenen zugehen", erklärt Astrid Pößiger von der Interventionsstelle Trier, die sich bei Bedarf selbst an die Opfer von Gewalt wendet und psychologische wie juristische Hilfestellung anbietet. "Wir erleben das auch in Trier, quer durch alle Schichten", sagt Bürgermeister Georg Bernarding, "die Sozialverwaltung ist ja ständig in Kontakt mit diesen Problemen. Deshalb versuchen wir, eine immer bessere Vernetzung innerhalb der Hilfseinrichtungen und Angebotsstellen zu erreichen." Nach Auskunft von Polizeioberkommissar Martin Spaniol hat sich die Zahl angezeigter Gewalttaten gegen Frauen von 316 im Jahr 2005 auf 264 im vergangenen Jahr gesenkt. "Wichtig ist immer eine gute Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten", sagt auch Oberkommissar Diethard Funk aus Prüm. Um diese noch zu verbessern, wollen die Trierer Hilfseinrichtungen auch in Zukunft verstärkt auf ihre Angebote aufmerksam machen und so dazu beitragen, häuslicher Gewalt weiterhin wirksame Mittel entgegensetzen zu können.

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