Axt statt Teddy im Kinderbett

Mit aller Kraft kämpft ein Trierer Schwiegervater um Hilfe für seine Schwiegertochter, die mit der Erziehung und Versorgung ihrer drei kleinen Kinder offenbar überfordert ist. Trotz amtlicher Hilfe bestätigen Nachbarn die schlechte Betreuung der drei Mädchen. Der Schwiegervater fühlt sich vom Amt alleine gelassen und appelliert: "Meinen Enkelkindern muss stärker geholfen werden!"

 Im Haus der besorgten Großeltern sind immer Betten für die Enkelchen frei. TV-Foto: Christiane Wolff

Im Haus der besorgten Großeltern sind immer Betten für die Enkelchen frei. TV-Foto: Christiane Wolff

Trier. Es ist eine Geschichte, die traurig, aber in den sozialen Brennpunkten Triers wohl nicht einmalig ist. Eine Geschichte, die viele Vorzeichen und eine lange Vorgeschichte hat: Ein Mädchen, das viel zu früh und dann ein zweites und ein drittes Mal schwanger wird. Ein junger Vater, der schnelles Geld mit Drogen verdienen will, geschnappt wird und ins Gefängnis kommt. Ungewöhnlich an der Geschichte ist das Engagement der Eltern des jungen Mannes, die sich mit aller Kraft um die Familie kümmern - besonders um die drei Enkelkinder.Mutter geht aus, Kinder bleiben allein

Die Schwiegereltern ziehen extra um, der Opa mietet ein Haus, in die obere Wohnung zieht er mit seiner Frau, in die untere die junge Familie mit den Kindern. "Sie sollten ein schönes Heim und einen Garten haben", erzählt der Metaller, der Mehr- und Schichtarbeit auf sich nimmt, um Sohn und Schwiegertochter auch finanziell unterstützen zu können. In der Woche, bevor sein Sohn ins Gefängnis muss, werden gemeinsam die Kinderzimmer für die eineinhalb-, drei- und fünfjährigen Mädchen renoviert und eingerichtet. Fotos zeigen hübsche Holzbettchen vor orangefarbenen Wänden. Doch zwischen den Möbeln türmen sich Berge voller schmutziger Kinderkleidung. Die 23-jährige Mutter ist mit der Versorgung und Erziehung der Kinder offenbar überfordert. "Behördengänge, Haushalt, einkaufen - wir mussten Michaela (Name von der Redaktion geändert) bei allem unter die Arme greifen", erzählt der Schwiegervater vom Sommer 2006. Als die Schwiegermutter krank wird, bittet der Opa das Jugendamt um Hilfe. "Zuerst kam gar nichts, dann schickte das Amt eine Frau, die zwei- bis dreimal in der Woche für einige Stunden zu Michaela kam." Ausgereicht habe das nicht: "Einmal lag eine Axt im Bettchen der Kleinsten und ein zerbrochener Glasbilderrahmen auf dem Boden", erzählt die Schwiegermutter. Das Kleinkind hätte am späten Abend immer noch die Windeln vom Morgen angehabt. Die Familienhelferin habe auch nicht darauf geachtet, dass Michaela die Kindergartengebühren bezahlt. "500 Euro waren aufgelaufen, und die Kindergartenleiterin meinte zu mir, die Mädchen könnten nicht mehr kommen", erzählt der Schwiegervater. "Auf solche Sachen muss die Frau vom Amt doch achten!", kritisiert er das Jugendamt.Die Schwiegereltern machen Druck. "Die Kinder sind schließlich noch nachmittags im Schlafanzug draußen rumgelaufen", begründet der Schwiegervater sein Einmischen. Eine Nachbarin bestätigt, dass trotz amtlicher Hilfe längst nicht alles in Ordnung war: "Mitten im Winter waren die Kinder um 22 Uhr noch auf der Straße. Einmal ist die Kleinste ausgebüxt, die Haustreppe runter, quer über die Straße und bei mir die Treppe wieder hochgekrabbelt - die Mutter hat's nicht bemerkt." Ein anderes Mal wird die damals Einjährige in der benachbarten Kneipe abgegeben. "Eine Frau brachte uns das kleine Mädchen, das über die Hauptstraße gekrabbelt war", erzählt der Gastronom. Die Nachbarin, die selbst bei einem Sozialdienst arbeitet, ist überzeugt: "Das Amt muss im Sinne der Kinder endlich stärker eingreifen!"Die Situation wird immer schlimmer: Die junge Mutter kommt über Nacht nicht nach Hause, ohne eine Aufsicht für die Kinder zu organisieren. Die Schwiegereltern schimpfen, die Mutter fühlt sich kontrolliert, packt schließlich die Kinder und zieht aus. Erst in die kleine Wohnung ihrer Schwester, wenige Tage später zu einem anderen Mann, dann wieder zurück zur Schwester und wieder in die Wohnung bei den Schwiegereltern. "Dann war sie wieder mal verschwunden und hatte die Kinder zurück gelassen. Ich habe immer wieder bei ihrer Betreuerin vom Amt angerufen", erzählt der Schwiegervater. Schließlich kommt eine SMS. "Bin nicht im Dienst", lautet die Nachricht der Betreuerin, die der Schwiegervater in seinem Handy abgespeichert hat. "Von einer Sozialarbeiterin erwarte ich in einem solchen Fall eine andere Antwort", sagt der Schwiegervater. Nicht nur wütend wirkt er dabei, sondern vor allen Dingen hilflos. "Michaela irrt herum wie ein Flugzeug ohne Pilot, irgendwann wird sie abstürzen - wenn sie nicht mehr Hilfe bekommt", beschreibt der Schwiegervater seine Ängste.Betreuerin veranlasst Therapie in Klinik

Hoffnung schöpft der Mann, der mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet hat, um das Jugendamt zu mehr Hilfe zu zwingen, als Michaelas Betreuerin im Urlaub ist und von einer anderen Familienpflegerin vertreten wird. "Die Frau kam wenigstens mal unangekündigt vorbei und hat so das Chaos ungeschönt mitbekommen", erzählt der Schwiegervater. Tatsächlich fackelt die Urlaubsvertretung angesichts der Situation nicht lange und besorgt für Michaela Anfang Juni innerhalb einer Woche einen Therapieplatz in einer Saarbrücker Klinik. "Die Frau meinte, Michaela sei labil und brauche dringend Hilfe. Wenn sie nicht freiwillig gehen würde, müsste sie zwangseingewiesen werden", erzählt der Schwiegervater. Michaela willigt ein, hält es aber auch in der Einrichtung nicht lange aus: Sie reißt aus und kommt in einer leer stehenden Wohnung in Trier unter. "Das ist jetzt sieben Wochen her", erzählen die Schwiegereltern, bei denen Michaela ihre drei Kinder abgegeben hat. "Von Therapie ist keine Rede mehr - obwohl das Jugendamt noch vor ein paar Wochen gesagt hat, die Situation sei so schlimm, dass Michaela zur Not zwangseingewiesen werden müsste", sagt der Schwiegervater. "Es ist doch kein Zustand, dass die Kinder seit sieben Wochen bei uns sind und Michaela in einer leeren Wohnung haust und irgendwann das Chaos wieder von vorne anfängt!" Kümmern würde Michaela sich nicht um ihre Kinder. "Das Kleinste hat sie kürzlich für zwei Stunden abgeholt - zurück kam's mit lauter Läusen auf dem Kopf", erzählt der Vater. "Die Läuse sind ja nicht so schlimm, aber meine Schwiegertochter bekommt ihr Leben ganz offensichtlich nicht geregelt und das Jugendamt greift nicht durch. Und wir wissen nicht, was wir noch machen können!"Der TV hat das Jugendamt um eine Stellungnahme gebeten. Die junge Mutter hat das Amt allerdings nicht von seiner Schweigepflicht entbunden. "Daher können wir keine Stellungnahme abgeben, auch nicht zu den von uns bisher getätigten Hilfestellungen. Der Schutz der betroffenen Mutter und ihrer Kinder ist vorrangig", heißt es aus dem Presseamt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort