Bald "tanzen" nur noch die Puppen

OLEWIG. Bald nur noch an Puppen im Museum könnten die Trachten des Trierer Winzertanzes zu besichtigen sein. Zu wenige wollten in den vergangenen Jahren in die Trachten schlüpfen und die Tänze der Winzer lebendig werden lassen. Die in Olewig gegründete Winzertanz- und trachtengrupppe steht nach 20 Jahren vor dem Aus.

"Die Idee ist im Karneval entstanden. Wir wollten einen Grund haben, uns regelmäßig zu treffen, und haben uns das Tanzen in Trachten ausgesucht", erklärt der Vorsitzende Franz-Josef Hammes (44). Am 19. Dezember 1985 gründete er mit einigen seiner zwischen 15 und 22 Jahre alten Freunde den Winzertanz- und -trachtenverein für Volkstum und Heimat.Volkstum statt Disko-Tänzen

Während andere junge Leute unter der Diskokugel zu Kool & The Gang die Hüften schwangen, verschrieb sich die Olewiger Dorfjugend dem Winzertanz und der Pflege des "Volkstums". Darunter versteht der Vorsitzende vor allem: Womit haben sich unsere Vorfahren amüsiert, und wie haben sie gelebt? Zum ersten Mal tanzte die Gruppe auf dem Trierer Weinfest und wurde begeistert beklatscht. Die Olewiger Winzer sagten zu, die Tanzgruppe finanziell zu unterstützen. "Die Mosel war im Unterschied zu anderen deutschen Regionen wie dem Schwarzwald, wo es prächtige Trachten gab, eine sehr arme Region. Die Arbeiter kamen nur selten zum Feiern", erklärt Hammes, wieso die Suche nach Original-Tänzen und -Trachten aus Trier zuerst erfolglos verlief. Doch dann durchstöberten die Olewiger eine Woche lang im Keller eines Berliner Museums Trachten aus Deutschland. Sie wurden fündig und nahmen ein Muster mit zurück nach Trier. Fortan trugen die Frauen der Winzertanzgruppe ein Kleid mit einem schlichten grün-weißen Rock mit Bordüre, eine weiße Bluse und eine Haube. Die Männer traten in einer grünen Weste, schwarzen Cord-Kniebundhosen, beigefarbenen Kniestrümpfen und einem weißen Hemd auf. Schnell stießen zu der Gruppe auch Tanzfreunde aus anderen Stadtteilen. Die 25 Tänzerinnen und Tänzer begleiteten die Delegation der Stadt Trier in die spätere Partnerstadt Fort Worth in die USA, fegten über den Hauptmarkt beim Altstadtfest, waren bei Betriebsfeiern gern gesehene Gäste und maßen sich auf Trachtenfesten mit anderen Winzertanzgruppen aus ganz Deutschland. Bis Mitte der 90er-Jahre liefen die Auftritte der Werbeträger für die Weinstadt Trier gut. "Doch dann war das Publikum gesättigt, und wir stellten uns um auf Showtanz", erläutert der Vorsitzende. Aber auch ohne Polka und Walzer fehlte der Tanzgruppe trotz zuerst erfolgreicher eigener Kindertanzgruppe immer mehr der Nachwuchs."Es gibt für die Olewiger Jugend zu viele Angebote in der Innenstadt. Die Busse fahren zu oft und zu lange", begründet Hammes das fehlende Interesse der Jugendlichen. Auch fanden viele der älteren Vereinsmitglieder immer weniger Zeit für den Winzertanz. Auf der Jahreshauptversammlung im März 2004 beschloss der Verein daher zähneknirschend seine Auflösung. Finanziell stehe der Verein jedoch noch gut da, betont der Vorsitzende.Trachten wandern in Umzugskarton

Seine eigene Tracht und die seiner ebenfalls im Verein aktiven Ehefrau steckt Franz-Josef Hammes nun in einen Umzugskarton. Den will der Verein an ein Trierer Museum geben. Hammes hofft derweil auf spontane Tanzwillige mit "Lust, Spaß und Zuverlässigkeit", um die Auflösung noch abzuwenden, damit die Trachten des Winzertanzes nicht reglos in einer Museums-Vitrine stehen. Die sich im Tanzen ausdrückende Lebensfreude und die in der Tanzgruppe erlebte menschliche Nähe sind für Hammes Werte, für die es sich lohnen würde, dem Verein wieder neues Leben einzuhauchen.

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