Bewegende Erinnerung an bewegende Zeiten

An den Mauerfall am 9. November 1989 und die daraus resultierende Aktion "Herzlich willkommen, Weimar!" erinnerte eine Gedenkveranstaltung der Stadt Trier am Dienstagabend im Kulturzentrum Tuchfabrik. Die rund 200 Besucher zeigten sich tief bewegt.

Trier. Die Haare sind weniger und grauer geworden, und auch manche Konfektionsgröße ist eine andere, aber die Erinnerung ist ungetrübt: Das, was sich vor 20 Jahren abspielte, hat sich bei allen Beteiligten unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt.

Am letzten November- und ersten Dezember-Wochenende kamen insgesamt rund 1500 Menschen aus Weimar nach Trier - damals eine "Weltenreise". Weimar lag in der DDR, und allein die frisch gefallene innerdeutsche Grenze ermöglichte, dass die 1987 besiegelte Städtepartnerschaft völlig unverhoffte Dimensionen gewann.

"Es war eine fast schon legendäre Aktion", stellte OB Klaus Jensen fest - und allemal ein Ereignis, auf das es sich in dankbarer Erinnerung zurückzublicken gelte.

Die Möglichkeit dazu bot die Trierer Stadtverwaltung mit dem vom Presseamt organisierten "Abend der Erinnerung" am Dienstag in der Tufa. Der entwickelte sich zu einer bewegenden Zeitreise, weil er Zeitzeugen zu Wort kommen ließ.

Zuerst Helmut Schröer (wird am kommenden Montag 67), damals Triers Stadtoberhaupt. Der zögerte nicht, als er die Zeichen der Zeit erkannte. Einen Wochenendaufenthalt bei privaten Gastgebern in Trier wollte er Weimarer "Normalbürgern" ermöglichen. Seine engsten Mitstreiter: Der Weimarer Andreas Langer (50), in dessen Musik-Antiquariat Kossmann viele Partnerschaftsfäden zusammenliefen und sich Mitglieder oppositioneller Friedensgruppen trafen, auf Trierer Seite Christfried Würfel (65), damaliger Chef des Sozialamtes und bewährtes Organisationstalent. Was sie sich damit aufgebürdet hatten, konnten beide nicht ahnen. Eher schon, dass sie an einem außergewöhnlichen Kapitel deutsch-deutscher Geschichte mitwirkten. Trotz aller Belastung von damals sagen sie heute unisono: "Wir würden es wieder tun."

Statt der von Schröer vermuteten "vielleicht 200" wollten 6000 Weimarer nach Trier. Ein Viertel davon konnte an den beiden ersten Adventswochenenden 1989 tatsächlich reisen. Weimarer Busse brachten sie zunächst zur Grenze, von dort aus ging es in Trierer Reisebussen zum Augustinerhof, wo die Gastgeber warteten. Dank der gelungenen Vorarbeit durch Würfels Team und der Unterstützung des Trierischen Volksfreunds und Radio RPR hatten sich schon nach einer Viertelstunde Gastgeber und Gäste getroffen. Für nicht wenige der Beginn einer dauerhaften Freundschaft, wie Ingrid und Klaus Trommler (Weimar) sowie die Trierer Horst und In grid Schädlich, Klaus Wirtz und Sabine Schulz-Gerhardt in der Tufa berichteten. In den privaten Kontakten gebe es keine Anzeichen von "Hindümpeln" oder "Einschlafen". Die Partnerschaftsvereine hingegen hatten durchaus ihre Durststrecken. Die Schwächelphasen seien aber überwunden, betonten Elisabeth Ruschel (Vorsitzende der 107 Mitglieder zählenden Weimar-Gesellschaft Trier) und Hartmut Eckardt (Trier-Gesellschaft Weimar): Die Partnerschaft "brenne" wieder.

Als Joachim Seyd und Robertas Urba, Cellisten der Weimarer Staatskapelle, zum Schlussakkord ansetzten, konnte sich so mancher der rund 200 Besucher der von Hans-Günther Lanfer und Jürgen Backes (Presseamt) moderierten Veranstaltung die ein oder andere Träne nicht verkneifen.

OB Klaus Jensen versprach, Trier werde die Partnerschaft mit Weimar weiter hegen und pflegen. Sie sei etwas Besonderes, denn sie mache auch immer wieder deutlich, "dass unser heutiges gutes Leben keinesfalls selbstverständlich" sei.

Gezeigt wurden Ausschnitte aus einem Film des Offenen Kanals Trier, der die Reise und den Trierer-Aufenthalt der 600-köpfigen ersten Weimarer Gruppe wenige Tage nach dem unerwarteten Mauerfall dokumentiert. Die 50-minütige Komplett-Version des Films sendet der OK 54 heute und am Freitag, jeweils um 21 Uhr.

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