Bilderbuchwetter nur zum Auftakt

Trier · Die Landesgartenschau 2004 hat eine Initialzündung sein sollen für die Entwicklung Triers. Der Trierische Volksfreund nimmt den heutigen Jahrestag der Eröffnung zum Anlass für eine Analyse.

Trier. Als heute vor genau zehn Jahren die Landesgartenschau auf dem Petrisberg erstmals ihre Pforten öffnete, strömten 15 000 Menschen auf das 44 Hektar große Gelände der ehemaligen Kaserne Belvédère. Ein Spektakel mit Stelzenläufern, Trommelgruppen und Aktionskünstlern, das an diesem Tag viele Gäste auch mit einem Sonnenbrand bezahlten. Doch der Vorschuss des Sommers währte nicht lange. Schlechtes Wetter, insgesamt 97 Regentage, sollten bis zum Ende der Veranstaltung am 24. Oktober die Besucherbilanz trüben. 723 000 statt der erwarteten eine Million Besucher kamen. An der positiven Bilanz aller Beteiligten änderte das nichts.

Landesgartenschau: Zehn Jahre danach nennt Oberbürgermeister Klaus Jensen die Schau ein Erfolgsprojekt: "Die Anlage hochwertiger Grün- und Freizeitflächen sowie Rückhalteflächen für die Oberflächenentwässerung ist aus einem Guss als Gesamtanlage für die Konversionsfläche Petrisberg entstanden. Ohne die Landesgartenschau hätte eine solche Anlage in der Qualität nicht durch die Stadt Trier realisiert werden können."
Das sieht auch Wilfried Ebel so, damals Tourismusreferent und heute Referent für Verkehrspolitik der IHK Trier: "Die Landesgartenschau hat viele positive wirtschaftliche Entwicklungen in Trier angestoßen." Allerdings glaubt er, die Innenstadt hätte damals besser in das Veranstaltungskonzept eingebunden werden können, um noch mehr Besucher auch in die City zu lenken.

Neuer Petrisberg: Mit dem Geld für die Gartenschau (siehe Extra) wurde gleichzeitig die Infrastruktur geschaffen für einen neuen Stadtbezirk auf dem Petrisberg. Nach Einschätzung der Landesregierung ist das gelungen. "Deshalb ist dieses Konzept auch auf die nachfolgenden Landesgartenschauen in Bingen und Landau übertragen worden", heißt es dazu aus dem Ministerium von Umweltministerin Ulrike Höfken. Rechnet man die derzeit 850 Studierenden in den vielen Wohnheimen- und Appartementanlagen hinzu, leben derzeit etwa 3300 Menschen im Viertel "Neuer Petrisberg".

Wissenschaftspark: 187 Unternehmen mit mehr als 1300 Mitarbeitern haben sich im Wissenschaftspark angesiedelt, der auch acht ehemalige Kasernengebäude beinhaltet. Heinz Schwind, Leiter des Bereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Trier, kommt angesichts der rasanten Entwicklung ins Schwärmen: "Die breit gefächerte Palette an Unternehmensideen dort bietet viel Raum für innovative Geschäftsfelder, vor allem im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen." Wohnen: Jan Eitel, Geschäftsführer der ehemaligen Entwicklungsgesellschaft Petrisberg, die sich angesichts des fast abgeschlossenen Projekts Petrisberg in "egp - Gesellschaft für urbane Projektentwicklung" umbenannt hat, spricht von einem großen Marketingeffekt, den die Landesgartenschau für alles gehabt habe, was danach auf dem Petrisberg passierte. "Zurückhaltend geschätzt sind dort in Folge der Schau mindestens 400 Millionen Euro in den Wohnungsbau und die gewerbliche Nutzung investiert worden."
Die Kritik, der neue Stadtteil sei elitär, die Flächen zu dicht bebaut und viele Gebäude hässlich, kann Eitel nur eingeschränkt verstehen. "Architektur ist Geschmacksache und vom Zeitgeist geprägt. Der Petrisberg ist das, was die Trierer daraus gemacht haben. Wir haben eine hochwertige Bebauung gefordert und viel zugelassen. Viele Wohntypologien sind eigenständig von den Bauherren mit ihren Architekten entwickelt worden." Im Durchschnitt habe der Grundstückspreis - wie ursprünglich geplant - bei 200 Euro pro Quadratmeter gelegen. "Die Grundstücksgrößen betragen überwiegend zwischen 500 und 600 Quadratmetern."
Thomas Meurer, bundesweit renommierter Architekt und Stadtplaner aus Frankfurt, hält zwar ebenfalls nicht jedes Haus auf dem Petrisberg für gelungen, die "vielen innovativen Ansätze" bewertet er allerdings als positiv. "In gewisser Weise ist der neue Petrisberg eine Art Experimentierfeld für das Wohnen in der Region geworden."

Grün- und Freizeitflächen: 40 Hektar der Landesgartenschau wurden als Dauergrünfläche mit Spielplätzen, Skaterbahn, Beachvolleyballanlage und zahlreichen Spazier- und Flanierwegen erhalten. Die Stadt lässt sich deren Unterhaltung in jedem Jahr 780 000 Euro kosten.
Landschaftsplaner Helmut Ernst, der damals den Gestaltungswettbewerb für die LGS Trier gewonnen hatte, ist vom gepflegten Zustand der Anlagen auch im zehnten Jahr nach der Fertigstellung begeistert. "Viele Gäste aus der Region kommen hierher. Die Entscheidung der Stadt, bereits vor der Wohnbebauung mit Hilfe der LGS hochwertige Freiräume für die Bewohner einzurichten, ist beispielhaft für die Umwandlung eines ehemaligen Kasernengeländes."
Vom Petrispark schwärmt auch Bernd Michels, Ortsvorsteher von Kürenz, dessen Stadtteil von der Landesgartenschau und deren Folgen am meisten profitiert hat: "Das ist ein einmaliges Naherholungsgebiet." Einzig der Sportplatz ärgert ihn: "Da hätte damals ein Kunstrasenplatz und kein Hartplatz gebaut werden müssen." Aus Kostengründen war das nicht passiert.

Verkehr: Noch einmal aktiv werden will der CDU-Politiker Bernd Michels beim Thema Verkehr. Der war schon 2004 ein heiß diskutiertes Thema, vor allem in Kürenz, dem Nadelöhr für Autofahrer auf dem Weg zum Petrisberg und in die Höhenstadtteile. Die vom damaligen Baudezernenten Peter Dietze initiierten Projekte Petrisbergaufstieg und Umgehung Kürenz fanden keine politischen Mehrheiten. Michels: "25 000 vielleicht auch 30 000 Autos täglich, das ist einfach zu viel für die engen Straßen des Stadtteils. Wir werden eine Initiative starten, um die Verkehrskonzepte von damals noch einmal neu zu diskutieren."
Oberbürgermeister Klaus Jensen, der bei der Neuwahl im Herbst nicht mehr antritt, wird damit nichts mehr viel zu tun haben. Die Frage nach einer Hoffnung für die bessere verkehrstechnische Erschließung des Petrisbergs fällt entsprechend sachlich aus: "Die Verwaltung erarbeitet derzeit ein Maßnahmenpaket, um gemeinsam mit den Stadtwerken die ÖPNV-Verbindung zu verbessern."
Wie die politischen Macher der Landesgartenschau 2004, der ehemalige Oberbürgermeister Helmut Schröer und Ex-Baudezernent Peter Dietze, die Veranstaltung und die Entwicklungen danach bewerten, lesen Sie morgen im Trierischen Volksfreund.Extra

Fläche: Die Landesgartenschau (LGS) auf dem Gelände der ehemaligen französischen Kaserne Belvédère umfasste eine Fläche von 44 Hektar. Die Entwicklungsmaßnahme Petrisberg, also der heute fast komplett bebaute neue Stadtbezirk, umfasst 70 Hektar, das entspricht einer Fläche von fast 100 Fußballfeldern. 15 Hektar davon sind Wohnbauflächen, weitere 15 Hektar sind Gewerbeflächen. Besucher: 723 000 zahlende Besucher kamen 2004 zur Gartenschau in Trier. Erwartet hatten die Veranstalter eine Million Besucher. Der ursprünglich kalkulierte Verlust für die Stadt Trier in Höhe von 1,3 Millionen Euro erhöhte sich dadurch auf 4,1 Millionen Euro. Dieser Betrag wurde durch einen Nachtragshaushalt beglichen. Kosten: Das Investitionsvolumen für die Gartenschau lag bei 15,2 Millionen Euro. 8,3 Millionen zahlte die Entwicklungsgesellschaft Petrisberg, die nach der Schau von der damit geschaffenen Infrastruktur (Grünflächen, Straßen, etc.) profitierte. 5,4 Millionen Euro zahlte das Land, den Rest die Stadt Trier. 16,9 Millionen Euro hat das Land insgesamt seit Beginn der Baumaßnahmen 2002 für die Entwicklung des Petrisbergs investiert. Die Stadt Trier beteiligte sich an LGS und Entwicklungsmaßnahme insgesamt mit 14 Millionen Euro. Für die dauerhafte Erhaltung der Grün- und Freizeitanlagen zahlt die Stadt jährlich 780 000 Euro. Finanzielle Altlasten in Form von Krediten gibt es laut Oberbürgermeister Klaus Jensen nicht. Der Neue Petrisberg: 2500 Anwohner und 850 Studierende leben derzeit in dem neuen Stadtbezirk. Der Kernbereich der Landesgartenschau ist als Naherholungsgebiet Petrispark erhalten geblieben. Wissenschaftspark: 187 Unternehmen aus den Branchen Dienstleistung, Gesundheitswirtschaft, IT, Architektur, Umwelt- und Ingenieurwesen, Medien & Design, Handel und Gastronomie sind dort ansässig. Mehr als 1300 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. r.n.

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